Die goldene Galeere
war. Das Holz des Bodens und der Wände strahlte diese eisige Kälte aus, und dieses Holz sah aus wie versteinert. Als habe es viele Menschenalter hindurch in dichtem Urboden gelagert und sei dann ausgegraben worden. Und als hätten die seltsamen Gesellen mit den kalten Händen und den knackenden Gelenken daraus Bretter und Spanten geschnitten und sie mit Eis zu diesem Schiff verleimt. Darum diese Kälte. Das Schiff hatte keine Seele. Und die Besatzung?
Mythor stellte beim Ankleiden fest, dass in der Koje über ihm Herzog Krude lag. Über den Rand der dritten und obersten Koje sah er Nyalas schwarzes Haar wallen; ihr Zopf hatte sich völlig aufgelöst. Das Gewand der beiden lag ebenfalls auf dem Boden. Mythor hob Nyalas rotes Kleid und ihre Sandalen auf und legte beides in ihre Koje.
Er blickte kurz durch das Bullauge, ohne etwas anderes als Nebel zu sehen, dann wandte er sich der Tür zu. Als er davorstand, zögerte er kurz, denn ihm fiel das Schwert ein, das er einem Caer abgenommen hatte. Aber es war nirgends in der Kabine zu sehen.
Daraus glaubte er schließen zu können, dass man sie weniger als Schiffbrüchige ansah, sondern vielmehr als Gefangene. Er öffnete dennoch die Kajütentür und trat hinaus.
Er fand sich auf Deck wieder. Ein kalter Windhauch ließ ihn frösteln, und das zeigte ihm, wie warm es eigentlich in der Kajüte gewesen war. Er dachte, dass die Kajüte voller Leben war im Vergleich zu dem übrigen Schiff, das er nun zum erstenmal genauer in Augenschein nehmen konnte.
Es hatte nur einen einzigen Mast mit einem einzelnen, viereckigen Segel, das gebläht war, obwohl nur eine leichte Brise ging. Auf das erdfarbene Segel war ein großer goldener Stern gemalt, der nur elf Zacken hatte. Der Platz für die zwölfte Zacke war frei, als sollte damit symbolisiert werden, dass sie ausgebrochen sei. Die Takelage bestand aus dicken, ölig wirkenden Seilen, die so straff gespannt waren, dass sie keinen Fingerbreit durchhingen.
Mythor sah sieben Männer über das Deck verteilt, drei auf dem Mitteldeck, zwei auf dem Heck und zwei auf den Bugaufbauten. Sie regten und rührten sich nicht - als seien sie Statuen! Einer der Seefahrer stand nur zwei Schritte von Mythor entfernt, ohne dass er ihn wahrzunehmen schien.
Er stand auf dem Vorschiff. Ihre Unterkunft befand sich in den Bugaufbauten, so dass er von dort, wo er stand, die eigenartige Galionsfigur nicht sehen konnte, die Nyala und ihm solchen Schrecken eingejagt hatte.
Die Heckaufbauten waren größer, bestimmt weitaus geräumiger in ihrem Inneren, und waren in Mannshöhe mit Wappenschilden verziert. Auch auf den Schilden fand sich das Zeichen des elfeckigen Sterns mit der ausgebrochenen Zacke wieder. Die Heckaufbauten besaßen nur eine einzelne Tür, während auf Mythors Seite deren zwei waren. Die andere, so vermutete er, müsste unter Deck führen. Das Deck war geschlossen; es gab aber neben dem Mast eine Schachterhebung mit einem zweiflügeligen Deckel. Dort standen zwei der Seefahrer, als hielten sie Wache. Der Mann vor ihm schien Nyala und ihren Vater und ihn zu bewachen, obwohl er sich in keiner Weise um Mythor kümmerte, als dieser noch einen Schritt näher trat, um ihn genauer in Augenschein zu nehmen.
Er sah auch aus nächster Nähe nicht weniger unheimlich aus. Seine Haut schimmerte immer noch, wie es Mythor in Erinnerung hatte, in Gletscherblau und war doch von einer wahrhaften Totenblässe. Er schien nur aus einem von Sehnen und Muskelsträngen zusammengehaltenen Gerippe zu bestehen, um das sich die Haut spannte. Die Augen, tief im Schatten der Augenbrauenwülste liegend, waren dunkle Punkte ohne den geringsten Schimmer. Es waren keine menschlichen Augen, sondern zwei seelenlose Ballungen aus Schwärze.
So eigenartig wie der Mann selbst war auch sein Gewand. Es bestand aus lauter Schuppen, die den gesamten Oberkörper und die Arme bis zu den Ellbogen, den Unterleib und die Oberschenkel wie eine zweite Haut bedeckten. Die Unterarme und Hände waren frei, nur um das linke Handgelenk spannte sich ein Reif aus ebensolchen Schuppen. Die Füße waren ebenfalls bis zu den Knöcheln beschuppt, als steckten sie in einem kurzen Strumpf.
Er war barhäuptig und hatte dichtes, sich ringelndes und sträubendes Haar von Fingerlänge. Es glänzte wie eingeölt. Aber der Mann hatte eigenartigerweise überhaupt keinen Geruch an sich. Mythor war es gewohnt, Menschen zu riechen; auf diese Weise konnte er jederzeit einen Marn von einem Fremden
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