Die goldene Göttin
aussenden, obwohl es meinen göttlichen Plänen zuwiderlief.«
»Der Riese, von dem wir hörten?« hauchte einer.
Der angebliche Meeresgott stieß ein rumpelndes Lachen aus. »Er ist ein tapferer Bursche, aber kein Riese! Heute ließ er sich auf eine Wirtshausschlägerei ein und schmachtet nun im tiefsten Kerker der Wächter. Es verdrießt mich, ihn so früh vor den Folgen seiner Torheit retten zu müssen. Es scheint, ihr Männer, daß wir die Wächter vernichten müssen, damit er die Yolarabas zerstören kann.« Webley machte eine Pause, während die anfängliche Furcht der Gauner zuerst in Erleichterung und dann in rechtschaffene Entrüstung umschlug. »Bin ich an den richtigen Ort gekommen?«
»Tod den Wächtern!« brüllten sie im Chor.
»Ich habe nichts anderes von euch erwartet« brummte der Meeresgott. »Nun hört, was ich euch zu sagen habe …«
*
Kronos war mehr als bloß ein Größenwahnsinniger, überlegte Fortune. Gregor Malik konnte dankbar sein, daß der Mann nicht beschlossen hatte, ihm das ganze Imperium wegzunehmen. Der einzige plausible Grund, daß er es nicht getan hatte, war, daß er sich sein eigenes aufbauen wollte. Überdies schien er es mit einer besonderen Rasse bevölkern zu wollen. An diesem Vorhaben arbeitete er seit zwanzig Jahren mit bemerkenswertem Fleiß.
Vierzehnhundert Nachkommen hatte er bereits in die Welt gesetzt, wenn Nornis Angaben richtig waren. Das entsprach einem Durchschnitt von siebzig pro Jahr seines Wirkens. Kein Wunder, daß die Schwesternschaft jedes Jahr um einige Dutzend Novizinnen vergrößert wurde. Sie wurden benötigt, um die Tempelbevölkerung zu vermehren. Brutapparate für die neue Rasse.
Logischerweise würde Kronos in weiteren zehn oder fünfzehn Jahren anordnen, daß die Töchter der Schwesternschaft sich nur mit Söhnen der Schwesternschaft verbinden dürften. Allein deshalb war sein Experiment zum Scheitern verurteilt – spätestens in einigen Generationen, wahrscheinlich aber schon früher, wenn viele seiner Nachkommen sich als ebenso halsstarrig wie die ersten zwei erwiesen. So eindrucksvoll sie erscheinen mochte, Kronos’ mächtige Rasse konnte nicht als ernsthafte Bedrohung für den Ablauf der Zeitwirklichkeit angesehen werden.
Aber das Werkzeug, das der Zeiteindringling benützt hatte, um einen annehmbaren Vorwand für sein großartiges Experiment zu liefern, nämlich der Kult der Yolarabas, konnte zu einer großen Gefahr werden. Die Erschaffung der goldenen Göttin war ein meisterhafter Schachzug gewesen, fast zu gescheit für einen Imperiumsagenten, von dem viel eher zu erwarten gewesen wäre, daß er sich an Gregor Maliks simpler Gewaltphilosophie orientierte. Vielleicht war Kronos bei der Suche nach einem Vorbild auf den alten mediterranen Kult der Aphrodite gestoßen und hatte die Methoden der Priesterschaft studiert. Nahm man die Idee von Kronos’ mächtiger Rasse heraus, unterschied sich der Kult der Yolarabas nur dem Namen nach von den alten Fruchtbarkeitskulten der Ischtar, Astarte oder Aphrodite. Bis auf eine bedeutsame Tatsache: Fruchtbarkeitskulte wie diese waren natürliche Weiterentwicklungen, sexuell aufgeladene Versionen des älteren Magna-Mater-Glaubens wie etwa im Demeter-Persephone-Mythos, der ganz in bäuerlichen Vorstellungswelten wurzelte und auf den Wechsel der Jahreszeiten abgestimmt war. Erst später, als die Menschheit entdeckte, daß nicht jeder ein Ackerbauer sein mußte, veränderte sich das Vorstellungsbild der Stadtbewohner. Gestalten wie Aphrodite hatten sich allmählich aus der Magna-Mater-Tradition entwickelt, um schließlich zu Verkörperungen der Liebesleidenschaft zu werden. Yolarabas aber war nicht anders als Aphrodite, bei ihrer legendären Geburt fertig und vollkommen aus dem Schaum erstanden.
Gemäß einem festliegenden historischen Zeitablauf, den zu schützen Fortune sich verpflichtet hatte, mußte der Mensch sich durch eine lange Nacht aus Aberglauben, Mythologie und Religion tasten, während er eine Reihe von Zivilisationen schuf, die am Ende zur Galaktischen Föderation des Jahres 2572 führen sollte. Wurde eine beliebige Stufe dieser Entwicklung ausgelassen, übersprungen oder verzögert, konnte die Existenz der gesamten Föderation in Gefahr geraten.
Beim Aufbau seines privaten Königreichs hatte Kronos noch eine andere unverzeihliche Sünde begangen: Er hatte ein fortschrittliches Wirtschaftssystem eingeführt, das, wenn man sein Fortbestehen erlaubte, leicht zum Vorbild späterer
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