Die goldene Königin
enttäuscht, dass sie so rasch verschwand, traute er sich jedoch nicht, sich ihr ein zweites Mal in den Weg zu stellen, lieà sie passieren und deutete einen Abschiedsgruà an. Donnerwetter! Dieses Mädchen hatte ihm den Kopf verdreht. Doch was blieb dem betuchten Kaufmann aus Genua mit dem dicken Wanst, dem pausbäckigen Gesicht mit der bläulichen Färbung und dem praktisch nicht existenten Hals anderes übrig, als zu den leichten Mädchen zu gehen, die nur hinter seinem Geld her waren?
Avignon? In Mathilde reifte bereits ein Plan, der Stück für Stück Gestalt annahm. Es schien ihr alles ganz einfach, zumindest im Augenblick. Alles zu seiner Zeit. Sie würde sich später darum kümmern, wie sich die Dinge entwickelten.
Mathilde liebte Reisen und interessierte sich sehr für Frankreichs Nachbarländer. So wusste sie, dass sie auch über Avignon nach Florenz gelangte, wenn sie in Marseille ein Boot bestieg.
Doch wer bezahlte die Reise? In ihrer Geldkatze fanden sich eindeutig nicht genug Münzen, denn schlieÃlich verwahrte Baptista das gesamte Geld, das ihr Maître da Vinci überlassen hatte. Das war für Mathilde jedoch nur ein kleines Problem, das sie plante, später zu lösen. Im Augenblick wollte sie nur diesen Mann treffen, der ihr zweifellos von ihrem Vater erzählen konnte.
Es fiel ihr nicht schwer, Carlotta und Francesco zurückzulassen, aber es tat ihr leid, dass sie dem alten Baptista nichts sagen konnte, um ihm Sorgen zu ersparen. Sie beschloss, ihm einen Brief zu schicken.
Die Nachricht, die sie mit groÃer Sorgfalt verfasste, um die Schockwirkung durch beruhigende Ausdrücke abzumildern, erklärte die Umstände folgendermaÃen: »Lieber Baptista, sorgt Euch nicht um mich. Alles ist in Ordnung. Ich muss nur einen anderen Weg nach Florenz nehmen. Wir treffen uns dort in wenigen Wochen wieder. Dann werde ich Euch den Grund für meinen Umweg erklären.« Der kurze knappe Brief würde den alten Mann beruhigen.
In der Nähe des Papstpalastes, dort, wo sich die groÃen französischen und fremdländischen Kaufleute zusammenschlossen, zog sie Erkundigungen ein. Avignon war schon lange nicht mehr das Zentrum der Päpste. An den letzten Pontifex, Grégoire XI ., erinnerte man sich kaum noch, denn ihm waren viele andere gefolgt. Die groÃe Kirchenspaltung des Abendlandes hatte die ehemals ehrgeizigen Visionen Europas durchkreuzt. Eine Zeit lang hatte es noch heftige Zwistigkeiten gegeben, nun wählte Rom die Kandidaten.
Die Gegend um Avignon beeindruckte Mathilde. Nachdem sie Orange passiert hatte, kam sie hinter Valence, am Zusammenfluss von Isère und Rhone, an die Küsten der Provence und war entzückt. Alles gefiel ihr â der weite klare, fast malvenfarbene Himmel, vor dem dunkelgrüne Zypressen aufragten, die Olivenhaine, die Getreide- und Lavendelfelder, die Weinberge, der Duft von Thymian und Lorbeer. Sogar der Mistral, der nicht zu stark blies, schien Fildor Flügel zu verleihen.
Im Geschäft eines Goldschmieds fand sie den Mann, den sie suchte. Frescobaldi Hieronymus verhandelte mit dem ansässigen Goldschmied über eine ziselierte Bronzekette mit Lilien. Den Grund der raffiniert gearbeiteten Medaillons bildeten kleine glitzernde blaue Saphire. In der Mitte saÃen die in massivem Gold eingefassten Blumen, die wiederum ein Diamant zierte. Es war ein traumhaft schönes Schmuckstück, das die beiden mit begehrlichem Lächeln betrachteten.
Als Mathilde den Laden betrat, hoben Goldschmied und Bankier die Köpfe.
»Was kann ich für Euch tun, Demoiselle?«, richtete der Goldschmied das Wort an sie und musterte eingehend die gut geschnittenen Kleider aus edlem Stoff, die das junge Mädchen trug.
»Ich möchte mit Sire Frescobaldi Hieronymus sprechen«, erklärte Mathilde und wünschte, ihre Stimme hätte klarer und kräftiger geklungen.
»Das bin ich«, sagte der Bankier und trat einen Schritt auf sie zu. »Fresco Hiero für jene, die mich gut kennen.«
Mathilde überkam ein seltsames Gefühl. Ohne dass sie zu sagen wusste, weshalb, gefiel ihr dieser Mann nicht. GroÃ, schlank, teuer und edel gekleidet, beeindruckte er sicher viele, und auch Mathilde zählte sich bald dazu. Sie hätte ihn allerdings gern ihrerseits beeindruckt, doch diesen Mann schien nichts zu überraschen.
Er fixierte sein Gegenüber mit den Augen eines Raubtiers,
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