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Die goldene Königin

Die goldene Königin

Titel: Die goldene Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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ebenmäßigen Gesichtszüge gleiten.
    Â»Seid Ihr aus … persönlichen Gründen geflohen?«
    Als sie nicht antwortete, insistierte er:
    Â»Ich muss es wissen. Meine Entscheidung hängt von Eurer Antwort ab.«
    Â»Ich habe meiner Mutter einen langen Brief geschrieben. Sie soll sich nicht sorgen.«
    Â»Trefft Ihr einen Geliebten?«
    Â»Ach! Nein«, rief sie eher empört als beschämt. »Ich habe keinen Geliebten.«
    Â»Ich dachte, deshalb wolltet Ihr nicht heiraten.«
    Â»Ich habe es Euch gesagt, ich möchte mir meine Freiheit bewahren. Außerdem mag ich keine Männer.«
    Er hätte gern ihre Hand genommen, aber er spürte ihre Wachsamkeit. Und ihre Augen leuchteten dunkler als zuvor.
    Â»Das glaube ich Euch nicht«, behauptete er gelassen.
    Â»Ich sage die Wahrheit. Männer sind brutal, schäbig, egoistisch und verdorben. Sie sind gierig, schöne Frauen zu besitzen, und nehmen keine Rücksicht auf ihre Gefühle.«
    Diesmal ergriff er ihre Hand, aber sie zog sie harsch zurück.
    Â»Ihr zeichnet ein sehr trauriges Bild vom männlichen Geschlecht! Vielleicht habt Ihr nur diese Sorte Männer kennengelernt.«
    Er zeigte ein Lächeln.
    Â»Zum Glück der Damen sind wir nicht alle so gemacht. Sind Euch denn noch nie freundliche, nette Männer begegnet?«
    Â»Doch! Ein einziger. Aber er gehört mir nicht.«
    Â»Nun, dann habt Ihr gelogen. Ihr habt behauptet, keinen Geliebten zu haben.«
    Â»Der französische König ist nicht mein Geliebter.«
    Â»Der König!«
    Bernardin brach in heiteres Lachen aus. Er konnte nicht mehr aufhören, und schließlich stimmte Mathilde unwillkürlich mit ein.
    Â»Mathilde!«, sagte er spöttisch, »kommt zur Vernunft! François I. ist ein Schelm und ein schlauer Fuchs, ein lustiger Kerl. Aber, glaubt mir, er ist auch ein königlicher Kater, der weiß, wie man die Desmoiselles verführt.«
    Â»Ich weiß, dass man sich das erzählt. Vielmehr habe ich es selbst gesehen.«
    Â»Nun, dann lasst Euch nicht von seinem Spiel blenden. Ihr verliert die Trümpfe.«
    Mathilde zuckte mit den Schultern.
    Â»Ich liebe ihn seit meinem vierten Lebensjahr.«
    Er stieß einen bewundernden Pfiff aus und brach erneut in Lachen aus, was Mathilde zu der Antwort reizte:
    Â»Das heißt, ich lasse mich auf kein Spiel mehr ein. Und jetzt sprechen wir nicht mehr davon, wenn Ihr erlaubt?«
    Das ist gut!, dachte er. Sie hat sich die Finger bei einem verbotenen Spiel verbrannt, bei einem heißen Spiel, vor dem sie jetzt zweifellos flieht.
    Â»Ihr habt recht«, sagte er, »lassen wir diese Fragen. Eines Tages werdet Ihr einem Mann begegnen, der Eurem König gleicht. Aber für heute willigt ein, mit mir in aller Bescheidenheit zu soupieren. Ich werde noch nicht einmal versuchen, Eure Hand zu nehmen, ich gebe mich damit zufrieden, in Euren Augen zu ertrinken.«
    Das Souper verlief unkompliziert und entspannt, und Bernardin des Baux erwies sich als freundlicher und angenehmer Gesellschafter. Um dem Mahl den intimen Charakter zu nehmen, hatte er seinen Schildknappen Guillaume de Villecoeur und den Oberbootsmann Jacques de Melville dazugeladen. Die angenehme Unterhaltung drehte sich um das Reisen, die großen Seefahrer und die Wunder, die sie nach und nach von ihren Expeditionen aus neu entdeckten Ländern mitbrachten.
    Der Venezianer Marco Polo und seine Reise nach Peking lagen bereits lange zurück, aber die Entdeckungen des Genuesers Christopher Kolumbus waren nicht allzu lange her, und es gab noch andere Seeleute, wie diesen Portugiesen mit Namen Magellan, der, finanziert durch Charles Quint, die Molukken erreichen wollte – das heutige Indonesien –, indem er Amerika im Westen umsegelte.
    Diese Gespräche begeisterten Mathilde. Man schätzte ihre Neugier und ihre Fragen, und der Abend verlief ohne Zwischenfälle.
    Nach dem Essen schlug Bernardin ihr vor, eine Runde Schach zu spielen, um nicht so früh ins Bett zu gehen. Die Dienerinnen hatten bereits ihr Zimmer am anderen Ende des Hauses vorbereitet, damit er seinem Gast nicht jedes Mal begegnete, wenn er seine Gemächer verließ.
    Es wurde eine erbitterte Partie. Mathilde, die es gewohnt war, mit der Duchesse d’Alençon zu spielen, ließ sich nicht leicht besiegen.
    Â»Seigneur Bernardin, nehmt nicht meinen König.«
    Â»Seid Ihr die Königin? Ich nehme Eure Königin.

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