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Die goldene Königin

Die goldene Königin

Titel: Die goldene Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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Hof.«
    Wolsey hatte ein ansprechendes Äußeres. Er war ein schöner Mann – schlank, vornehm, groß und blond mit heller Haut. Er besaß eine natürliche Eleganz. Die gerade feine Nase erhob sich über einem kleinen Mund mit sinnlichen Lippen, der an den einer schönen Frau erinnerte. Er verfügte insgesamt über weibliche Reize, was seiner männlichen Ausstrahlung jedoch keinen Abbruch tat. Das zarte bartlose Kinn, die etwas weichen Konturen und nicht zuletzt die samtenen Wimpern, die seine klaren Augen säumten, verliehen ihm etwas Weiches, Verträumtes, das Marguerite zutiefst berührte, zumal er sie unaufhörlich musterte.
    Wolseys blonde Haare fielen über seine Schultern herab und bedeckten den Kragen seines granatroten Wamses, das ihn hervorragend kleidete.
    Marguerite hätte nicht gewagt, ihm gegenüberzutreten, ohne sich vorher umfänglich über seinen Hintergrund zu informieren. So hatte die junge Frau erfahren, dass er nur der Sohn eines reichen Bürgers aus Suffolk war und zunächst eine geistliche Laufbahn eingeschlagen hatte, um so Zugang zu einer Gesellschaft zu erhalten, die ihm sonst verwehrt geblieben wäre.
    Marguerite beobachtete ihn und dachte, dass Thomas Wolsey zu jenen Menschen gehörte, die ihre Herkunft mit großer Geschicklichkeit zu verbergen wussten.
    Sein glänzender Aufstieg hatte als Botschafter bei Maximilian von Österreich begonnen. Nach dessen Tod hatte er die Gunst Heinrichs VIII . gewonnen, der ihn alsbald zum Hofgeistlichen ernannte. Die Weihe hatte der Bischof von Tours übernommen.
    Da seine politischen Fähigkeiten und seine Intelligenz ihn für den englischen König unverzichtbar machten, hatte dieser ihn vor Kurzem zum Premierminister ernannt.
    Doch eigentlich strebte Thomas Wolsey, der unaufhörlich die gesellschaftliche Hierarchie erklomm, nach Höherem. Zum Erzbischof von York ernannt, trachtete er nun nach der Robe des Kardinals, und wenn er diese höchste Stufe erklommen hatte, steuerte er die Papstwahl an. Gewiss, das hatten schon andere vor ihm versucht und waren gescheitert, wie beispielsweise Kardinal d’Amboise unter Louis XII .
    Natürlich folgten aus diesen Ambitionen auch gewisse Komplikationen für das Leben eines Prälaten, doch war dieses grandiose Spiel es nicht allemal wert, dass er sich mit allen Seiten, auch den unerfreulichen, auseinandersetzte?
    Momentan stellte sich Thomas Wolsey die Frage, wer ihm erfolgreich zur Kardinalsrobe verhelfen konnte. An wen konnte er sich wenden, ohne dabei zu verlieren, was er bereits erreicht hatte? François I.? Charles Quint? Die Vergünstigungen von Heinrich VIII . schienen mit dem Bistum von York ihr Ende erreicht zu haben.
    Thomas Wolsey versenkte seinen Blick gefährlich lang in die Augen seiner Besucherin. Er trat so dicht vor sie, dass sein Ärmel ihr Kleid streifte und sein Gesicht ganz sanft das ihre berührte.
    Â»Es heißt, Ihr beherrscht Italienisch, Spanisch und Latein. Seid versichert, dass ich voller Bewunderung für ein solches Wissen bin.«
    Â»Beneidet mich nicht um meine Kenntnisse, Eure Exzellenz, denn man hört viel Lob über Eure Gelehrtheit.«
    Trotz seines jugendlichen Aussehens musste Wolsey ungefähr vierzig Jahre alt sein. Einen kurzen Augenblick hatte Marguerite den Eindruck, sie stehe vor einem seltsam reifen Jugendlichen.
    Â»Ihr seid ebenso intelligent wie schön, Duchesse.«
    Â»Euer Kompliment erfreut mich«, hauchte Marguerite, »doch aus dem Mund eines Prälaten erfüllt es mich zugleich mit Scham.«
    Â»Warum? Sind Geistliche keine Männer wie alle anderen?«
    Â»Sie haben ein Glaubensbekenntnis abgelegt, das unterscheidet sie in meinen Augen.«
    Â»Gewiss«, antwortete er und blickte ihr erneut in die Augen. »Aber inwiefern hält der Glaube einen Prälaten davon ab, die Reize einer schönen Frau zu würdigen?«
    Marguerite spürte, dass die Unterhaltung eine gefährliche Richtung zu nehmen drohte, die ihr nicht recht war.
    Â»Leugnet es nicht«, fuhr er fort, »Ihr seid schön und intelligent.«
    Er trat noch näher und streifte mit den Lippen Marguerites Stirn.
    Â»Wisst Ihr, was man sich in England erzählt?«
    Â»Nein, aber Ihr werdet es mir sicher verraten.«
    Â»Wenn Ihr nicht die Schwester des Königs wärt, wärt Ihr seine Mätresse.«
    Â»Und ist das auch Eure Meinung?«
    Â»Vielmehr bin

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