Die goldene Königin
Fremde versuchte, zu ihr zu gelangen, doch die hysterische Menge hinderte ihn daran. Als Mathilde das andere Ende des Platzes erreichte, hörte sie vom Seitenrand Schreie. Sie sah, dass die Leute zurückwichen und Platz machten.
»Schnell, ein Arzt, die Frau kommt nieder!«, ertönte eine Stimme.
»Wir brauchen keinen Arzt, das übernehmen wir!«, entgegnete eine schrille Stimme.
Rasch breiteten zwei Frauen das Cape unter der jungen Frau aus, während Nicolas, dem SchweiÃperlen auf der Stirn standen, an der Seite seiner Frau kniete.
Kleid und Unterrock nach oben geschoben, die Beine gespreizt, rang Valentine nach Luft, während die Menge sie nicht weiter beachtete und sich um sie schloss. Vier Frauen blieben bei ihr und riefen: »Presst! Presst!« Ihre Schreie wurden von der entfesselten Menge übertönt.
»Tod dem Verkommenen!«, hörte man überall. »Hängt ihn! Er muss sterben!«
»Mathilde«, rief Valentine plötzlich, während sie ihr Kind herauspresste, das zwei Frauen mit ausgestreckten Händen in Empfang nahmen, während die beiden anderen Blut und Schweià vom Körper der jungen Mutter wischten.
Jetzt legte man das Seil um den Hals von Guillaume. Mathilde spürte, wie eine SchweiÃperle ihren Rücken hinunterrann. Das Seil würde seinen Hals, dessen Geruch ihr noch in der Nase war, heftig zusammenschnüren.
»Bringt saubere Tücher und eine Schüssel Wasser.«
Mathilde begann zu zittern. Ein Schwindel erfasste sie.
»Zieht das Seil. Hängt ihn! Er soll krepieren, und der Teufel soll ihn holen!«
»Valentine!«, rief Mathilde. »Valentine!«
Sie lieà die Zügel von Fildor los und das Pferd inmitten der Menge stehen. Dann stürzte sie, zugleich von überschwänglicher Freude und unermesslichem Entsetzen erfüllt, zu dem Neugeborenen, das man ihr mit dem Kopf nach unten reichte.
So erlebte sie zugleich den ersten Schrei des Kindes und den letzten Atemzug Guillaumes.
25.
François I. war erneut nach Italien aufgebrochen und konnte nach dem Sieg von Marignan nur als Sieger heimkehren. So dachten zumindest seine Waffenbrüder. Leider musste er sich derzeit jedoch gegen die zahlreiche Angriffe von Charles Quint verteidigen.
Da ihr geliebter Bruder sich nicht am Hof von Blois aufhielt und ihre Schwiegermutter nach ihr verlangte, war Marguerite nach Alençon und Mathilde in die Werkstätten ihrer Mutter zurückgekehrt. Nachdem sie zusammen mit ihrer Schwester, Nicolas und dem Kind heimgekehrt war, schien Mathilde ihre Lebensfreude verloren zu haben. Die Dame und der Papagei , die noch immer auf dem Rücken von Fildor lag, erinnerte sie unablässig an das traurige Ende von Guillaume de Montalon.
In der Abwesenheit des Königs ging es am Hof von Blois und Amboise gemächlich zu. Louise dâAngoulême sicherte während der Italienkriege ihres Sohnes seine Herrschaft, und Marguerite versuchte, sich auf Schloss dâAlençon mit der Dichtung Clément Marots und den Reden von Briçonnet die Zeit zu vertreiben.
Charles dâAlençon war die Führung der Armeen in der Champagne anvertraut worden, wo er mit Hilfe von Montmorency, dessen Armee ihr Lager in Attigny aufgeschlagen hatte, die Städte im Osten befestigte, vor deren Toren Charles Quint lagerte.
Die Bedrohung des Königreichs schien Marguerite tief zu betrüben. Von jetzt an waren die Zeiten nicht mehr von Feiern und Vergnügungen geprägt. Man erwartete, dass die Engländer kamen, und musste den Norden Frankreichs gegen mögliche Angriffe schützen.
Italien, wohin François die zwei Brüder von Françoise de Châteaubriant schickte, denen er hohe Auszeichnungen verliehen hatte, änderte nichts an der Situation. Es ging nicht mehr darum, groÃe Triumphe im Ausland zu erringen, sondern darum, das eigene Königreich zu retten.
Während der französische König die Champagne verteidigte, begab sich Marguerite häufig nach Meaux, wo Bischof Briçonnet sie mit seinem starken tiefen Glauben aufrichtete. Er erinnerte sie an die Mission, derer sie sich seiner Meinung nach voller Eifer widmen sollte: die Erneuerung der französischen Kirche.
Wenn sie sich nicht sehen konnten, schrieben sie sich, und Marguerite sprach ihrer Mutter gegenüber von Briçonnet wie von einem Vater, einem Beichtvater, einem Freund, der ihr half, die existenziellen Krisen zu überstehen,
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