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Die goldene Königin

Die goldene Königin

Titel: Die goldene Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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so sehr gewünscht, dass sie ihrer Schwester gleicht. Die würde niemals für einen Maler posieren.«
    Sie schienen sich bereits gut zu verstehen. Zwischen ihnen herrschte eine Vertrautheit, die sie selbst nicht erklären konnten. Vielleicht rührte sie daher, dass sie sich beide auf dem Höhepunkt ihrer beruflichen Laufbahn befanden und sich nichts mehr beweisen mussten.
    Â»Eure Töchter können sich nicht gleichen, Alix. An diese Vorstellung müsst Ihr Euch gewöhnen. Das Wichtigste ist, dass Mathilde in einem kreativen Umfeld aufwächst.«
    Â»Genau das ist aber nicht immer der Fall. Der Hof des Königs verlangt zu oft nach ihr. Dort gerät meine Tochter in Versuchung und kann sich dem nicht immer entziehen. Das macht mir Angst.«
    Â»Lasst Mathilde leben. Sie sucht sich ihren eigenen Weg und scheint mir zu kess, um etwas zu erdulden.«
    Alix seufzte und entspannte sich. Diese Frau wirkte entspannend auf sie. Ihr Haus verströmte eine angenehme Atmosphäre, eine Heiterkeit und Ruhe, die sowohl zum Sprechen wie zum Nachdenken anregte und sogar dazu, manches infrage zu stellen. Obwohl hier alles sehr ungewöhnlich schien. Nirgends sah man Möbel. Nur Blöcke, stapelweise exotisches Holz, Marmor, Sandstein – Materialien, mit denen Properzia als Bildhauerin arbeitete.
    Â»Zeigt Ihr mir Eure Arbeiten?«
    Properzia nickte und dachte einen Augenblick nach. Kurz zögerte sie, dann lieferte sie zahlreiche Erklärungen, die alle zum Ziel hatten, ihrer Freundin mehr von sich zu zeigen. Denn in diesem Moment spürte sie, dass Alix ihr zu neuer Inspiration verhelfen würde.
    Â»Ich fühle mich mehr zu Gravur und Größe hingezogen als zu Pinsel und Farbe. Ich habe lange gezögert. Ich erinnere mich, dass mich in meiner Jugend Ockergelb, Karmesinrot, Azurblau und selbst Gold nicht so angesprochen haben wie Größe und Formen. Ich habe Holz bearbeitet, Ton geformt, habe Neigungen und Winkel erfunden und gezeichnet, was mir unter die Augen kam.«
    Sie hielt inne, lächelte und schüttelte den Kopf.
    Â»Ich musste nicht lange nachdenken. Ich wusste sofort, wohin mein Weg mich führt. Es fehlten nur noch die Meister und Lehrer. Aber genug von mir. Jetzt erzählt mir von Euren Werken, Alix.«
    Â»Es sind so viele, dass ich nicht weiß, wo ich beginnen soll.«
    Â»Ich habe bereits gelernt, dass Millefleurs Teil Eurer Jugend waren.«
    Â»Als Mädchen habe ich davon geträumt, sie zu weben. Aber Pieter van Aelst hat recht, sie stammen aus einer anderen Zeit. Man muss sich weiterentwickeln, und Eure italienische Renaissance zwingt uns dazu. Die gewebten Werke sind wie Gemälde. Sie unterliegen einem Wandel.«
    Â»Ich liebe schöne Wandteppiche, aber ich gestehe, dass ich mich nur von den riesigen Werken angezogen fühle. Alles Gigantische reizt mich, erregt meine Leidenschaft und verzaubert mich. Habt Ihr so etwas angefertigt?«
    Â»Meine Werkstatt verfügt in erster Linie über Hochwebstühle, die es mir erlauben, Wandbehänge von mindestens vier mal drei Metern Größe herzustellen. Die Flachwebstühle nutze ich nur für kleine Aufträge. Außerdem können die Lehrlinge an ihnen lernen.«
    Properzia hörte mit großem Interesse zu. Ihr Gesicht war weder rund noch eckig. Die Form war vollkommen und der Ausdruck liebenswert, obwohl ihre Augen wie ein Gewitterhimmel blitzten. Sie besaß eine hohe Stirn und dichte geschwungene Brauen. Ihr Kinn war straff, und auf ihren Wangen tanzten zwei Grübchen, die ihr Gesicht weniger streng erscheinen ließen.
    Sie trat so nah an Alix heran, dass sie mit ihrer Brust beinahe die der jungen Frau streifte. Sie duftete nach einem herben Parfum. Es roch nicht nach Lilien, Rosen oder Jasmin, vielmehr verströmte es den Duft von Sandelholz oder Myrrhe.
    Â»Ich mag die Atmosphäre, die von den großen Wandteppichen ausgeht«, sagte sie, »vor allem wenn sie aus mehreren Teilen bestehen. Man kann sie ganz nach Belieben als Ensemble oder einen nach dem anderen betrachten und die Entwicklung der zentralen Figuren nachvollziehen.«
    Â»Sprecht Ihr von der Verwandlung der Gesichter?«
    Â»Und ihrer Haltungen. Die Renaissance versetzt uns mit ihren Themen in eine andere Welt. Mit den großen griechischen Mythen zum Beispiel. Die Figuren bewegen sich langsam an den Ort ihrer Bestimmung. Die Gesichter geraten in Bewegung, die Blicke kreuzen sich,

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