Die goldene Königin
aus.
Properzia hatte ihr Kinn losgelassen, strich jedoch mit einer Hand über ihren Nacken. Dann nahm sie fast bedauernd die Hand weg, lächelte sie an und sagte in amüsiertem Ton:
»Nun gut, sehen wir nach, was aus Mathilde geworden ist. Aber ich nehme an, Giulio und Eure Tochter unterhalten sich in trefflicher Harmonie, genau wie wir.«
Genau darum sorgte sie sich, denn wenn ihre Tochter die Begegnung mit Giulio ebenso aufwühlte wie sie die Unterhaltung mit Properzia, hatte sie allen Grund dazu.
Sie folgte ihrer Freundin durch ein Labyrinth aus Korridoren, die zum Teil von Stein- und Kalkblöcken blockiert waren. SchlieÃlich gelangten sie an den Fuà einer breiten Treppe, und Properzia, die voranging, fragte, ohne sich dabei umzudrehen:
»Wann reist Ihr ab?«
»In einigen Tagen, sobald ich alles gesehen und erledigt habe.«
Daraufhin drehte Properzia sich abrupt um und blickte Alix fest aus ihren dunklen Augen an.
»Ich weià nicht, ob wir uns in diesem Haus noch einmal wiedersehen, Alix. Ich habe hier und in Italien groÃe Schulden, und die Gerichtsvollzieher setzen mir arg zu. Vermutlich wird mir das Haus bei Eurer Rückkehr nicht mehr gehören. Meine Häuser in Rom und Florenz musste ich bereits verkaufen. Mir bleibt nur noch das in Bologna. Bald werde ich in Lyon kein Quartier mehr haben.«
»Nun, dann kommt ins Val de Loire.«
»Ist das Euer Ernst?«
»Natürlich. Ich finde einen ruhigen Raum für Euch, in dem Ihr an Euren Werken arbeiten könnt. Ihr werdet sehen, dass der Himmel der Touraine genauso schön ist wie der über Lyon oder Bologna. Eure Inspiration wird Euch dort nicht verlassen.«
Properzia drehte sich um, ergriff die Hand von Alix und führte sie an ihre Lippen. Es fühlte sich an, als stünden ihre Finger in Flammen, aber Alix zog sie nicht zurück.
»Wollt Ihr das wirklich tun?«
»Sehe ich aus, als würde ich scherzen?«
»Nein.«
Sie drückte, presste und knetete nervös Alixâ Finger, schien sie nicht mehr loslassen zu wollen und verschränkte sie schlieÃlich mit einer gewissen schüchternen Sturheit mit ihren. SchlieÃlich schien sie sich zu beruhigen, führte erneut Alixâ Hände an ihre Lippen, küsste sie wieder und sprach mit anscheinend ruhiger Stimme:
»Offen gestanden stehe ich mit dem Rücken zur Wand. Sie lassen mir nichts.«
Alix zog ihre Hand zurück und murmelte erneut: »Mathilde.«
Aber Properzia betrachtete sie wortlos und lieà ihren Blick über ihren Hals, ihre Taille, ihre Schenkel und ihren ganzen Körper gleiten. Lieà Alix sich verführen? Sie hatte das Gefühl, dass Properzia sie mit ihren Blicken auszog.
»Sehen wir nach Mathilde«, wiederholte Alix atemlos.
Als sie das kleine Zimmer betraten, das von zahlreichen Leuchtern erhellt wurde, die sogar auf dem Boden standen, stockte Alix der Atem. Mathilde lag ausgestreckt auf dem Steinsockel eines halb fertigen Flachreliefs. Den Rücken gegen die Mauer gelehnt, die eine Schulter etwas nach unten geneigt, die andere etwas angehoben, sah sie aus wie eine ruhende antike Göttin. Eine ihrer kleinen Brüste, die kaum voller als ein Sandkorn waren, lugte aus ihrem Mieder, und an einem Bein war der Rock unübersehbar bis zum Knie nach oben geschoben.
Giulio zeichnete gegenüber von ihr. Auf seinem Gesicht lag ein ruhiger konzentrierter Ausdruck. Sein unerbittlicher Blick maà und interpretierte jedes Detail des Modells vor ihm. Bei der Ankunft der beiden Frauen bewegte er sich genauso wenig wie Mathilde, die ganz in der Rolle der Muse aufging.
Properzia sandte Giulio ein verschwörerisches Lächeln zu, gab sich der Form halber jedoch empört.
»Du hättest mich fragen können!«
»Das wollte Mathilde nicht.«
Properzia trat zu ihrer Gefährtin und ergriff ihren Arm.
»Ich bitte dich, Alix, sei nicht verärgert. Mathilde weiÃ, was sie tut. Und Giulio auch.«
Alix antwortete nicht. Das vertrauliche »Du« brachte sie aus dem Gleichgewicht, doch das zeigte sie nicht. Sie ging zu Mathilde und brachte ihre Kleidung in Ordnung.
»Komm! Wir gehen.«
AnschlieÃend verabschiedete sie sich mit einem knappen Gruà von dem jungen Maler und wandte sich an Properzia. Sie sah ihr tief in die Augen und griff das »Du« auf, um ihre gemischten Gefühle zu überspielen:
»Ich glaube nicht, dass wir uns in Lyon noch
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