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Die goldene Meile

Die goldene Meile

Titel: Die goldene Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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könnte.
    Der General kannte sich in Moskau nicht gut aus, aber er dachte sich, er würde die Tasche im chaotischen Betrieb bei den Drei Bahnhöfen abstellen. Das Problem war, dass er kaum Chaos vorfand, als er am Kasaner Bahnhof ankam. Alles bewegte sich zielstrebig voran, und jeder hatte nicht nur zwei, sondern vier oder fünf Augen, die ständig auf verdächtiges Benehmen achteten. Jetzt bereute er, dass er die Einkaufstasche genommen hatte; sie war groß und bunt und trug ein aufsehenerregendes italienisches Logo. Er musste gelassen erscheinen, unaufgeregt. Aber als der Karton in der Tasche verrutschte, geriet er in Panik und flüchtete sich in den nächsten Tunnel, eine Fußgängerunterführung, gesäumt von Verkaufsständen, an denen Frauen standen, die das leiseste Wimmern eines Babys sicher sofort hören würden. Kassel war dankbar, als ihm der dissonante Lärm eines CD-Stands entgegenplärrte.
    Warum war seine Frau nur so überspannt? Sie war nicht geschaffen für das Leben beim Militär, wo man von einem trostlosen Außenposten zum nächsten versetzt wurde, in Häusern ohne warmes Wasser lebte und in einer Zeit, in der Tausende von hochrangigen Offizieren in den vorzeitigen Ruhestand abgeschoben wurden, dafür noch dankbar sein musste. Tausendmal hatte sie gesagt, dass nur ein Kind sie glücklich machen könne.
    Wo die Reihen der Verkaufsstände zu Ende gingen, standen Milizoffiziere und hielten wahllos Leute an, um ihre Papiere zu kontrollieren und ihre Taschen zu durchsuchen. Ein Fischzug, bei dem sie hofften, dass ihnen das eine oder andere Schmiergeld ins Netz ging.
    Im ersten Moment wollte Kassel umkehren, denn er hatte seinen Ausweis vergessen. Wäre er in Uniform gewesen, hätten sie ihn durchgewunken. Aber er war im Strom des Fußgängerverkehrs gefangen und wurde auf einen Offizier zugeschoben, der schon nach seiner Tasche greifen wollte, als eine Bande von Straßenkindern, keines älter als acht, sich vorbeischlängelte. Sie schwirrten umher wie ein Mückenschwarm und brachten die Fußgängerkolonne durcheinander. Als die Ordnung wiederhergestellt war, hatte der General die Miliz hinter sich gelassen.
    Jetzt war er sicher, dass das Glück auf seiner Seite war. Er marschierte durch den nächsten Bahnhof geradewegs zu den Bahnsteigen und mischte sich unter die Fahrgäste. Er stellte die Einkaufstasche ab und starrte am Gleis entlang. Mit einer Zigarette zwischen den Zähnen war er das Inbild der Ungeduld, und er bewegte sich nur, um den Riesenkoffern der Pendler und den scharfkantigen Karren der Gepäckträger auszuweichen. Das Baby war still; es strampelte nicht, und es schrie nicht. Der General hatte keine Freude daran, einem Baby irgendetwas anzutun, aber er hatte das Gefühl, er habe den Schaden auf ein Mindestmaß beschränkt.
    Die einfachen Pläne waren immer die besten, dachte er. Wenn der Zug angekommen wäre, würde er sich unter die aussteigenden Fahrgäste mischen und die Einkaufstasche mit dem Baby einfach stehen lassen. Jetzt war ihm klar, dass es die Vorsehung gewesen war, die ihn ohne Ausweis auf die Miliz hatte zugehen lassen. Niemand konnte ihn identifizieren. Es war, als sei das Baby unentdeckt wie ein Gammastrahl durch die Welt gegangen. Als habe es nie existiert, jedenfalls nicht offiziell.
    Die Leute gerieten in Unruhe, als ein Nahverkehrszug über das weite Schienenfeld herankam. Die Strecke endete hier. Als der Zug sich näherte, sah der General, wie die Leute, die drinnen in den Gängen standen, ihre Zeitungen zusammenfalteten und ihre Handys zuklappten. Er stand genau an der richtigen Stelle, um zwischen den Aussteigenden zu verschwinden.
    Aber wo war die italienische Tasche?
    Sie hatte zu seinen Füßen gestanden, und er war höchstes ein paar Schritte zur Seite gegangen, aber sie war weg. Im Nahkampfgetümmel zwischen den ein- und aussteigenden Fahrgästen war sie verschwunden.
    Er tauchte im Strom der Angekommenen unter. Entweder war die Tasche zwischen Zug und Bahnsteig gestoßen worden, oder ein Dieb hatte ihm, ohne es zu ahnen, einen Gefallen getan. So oder so, am liebsten wäre er gerannt.
    Der letzte Schreck kam dann mitten in der Nacht, als zwei Milizbeamte an die Wohnungstür klopften. Kassel befürchtete, dass ihn jemand auf dem Bahnsteig mit der Tasche gesehen hatte. Aber die Beamten hatten nur ein paar Fragen wegen einer toten Prostituierten, die mit ihm nichts zu tun hatte, und er konnte wahrheitsgemäß antworten, er könne ihnen nicht helfen.
    Alles in allem,

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