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Die goldene Meile

Die goldene Meile

Titel: Die goldene Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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genügt das Sofa im Wohnzimmer.« Kein besonders großartiges Sofa und auch kein großartiges Wohnzimmer. Arkadi hatte alle Plakate und Fotos, die er und Eva zusammen ausgesucht hatten, von der Wand genommen, und das Sofa war kaum größer als ein Rodelschlitten.
    »Ich werfe Sie doch nicht aus Ihrem eigenen Bett.«
    »Das nennt man Gastfreundschaft«, sagte Arkadi. »Die finden Sie in den schäbigsten Häusern.«
    »Aber ich bin nicht Ihr Gast. Ich nehme das Sofa.« Sie ging hinüber und setzte sich, um vollendete Tatsachen zu schaffen. »Es ist näher an der Wohnungstür. So werden Sie gar nicht hören, wenn ich gehe.«
    Er gab auf. Sie war unmöglich. Bevor sie an seiner Tür erschienen war, hatte er tief geschlafen, unerreichbar für alle Sorgen. Jetzt war er hellwach.
    »Der Killer sind Sie«, sagte sie vom Sofa her. »Dopey hatte nicht die Spur einer Chance.«
    Ein Gespräch mit Anja war wie ein Sprung aus dem Flugzeug, dachte Arkadi. Ehe man sich versah, hatte man die Endgeschwindigkeit erreicht.
    »Deshalb konnten Sie geradewegs auf ihn zugehen«, sagte sie. »Sie hatten den entscheidenden Vorteil.«
    »Welchen Vorteil?«
    »Dass Sie sterben könnten, war Ihnen egal. Für Sie war es eine Win-win-Situation.«
    »Der einzige Vorteil bestand darin, dass der Abzug steifer und der Rückstoß schlimmer wird, wenn man viele Schüsse nacheinander abgibt. Vor allem, wenn man klein und schmächtig ist. Es gab eine gute Chance, dass er zu hoch schießen würde.«
    »Aber Sie nicht. Sie haben ihn genau zwischen die Augen getroffen.«
    »Ich habe auf seine Schulter gezielt.«
    »Das heißt, Sie haben ihn aus Versehen erschossen.«
    »Und Ihnen damit das Leben gerettet.«
    »Sie haben Dopey erschossen und die Kontrolle über die ganze Situation übernommen, zu der zufällig auch eine Tasche mit hunderttausend Dollar gehörte, von der Sie wussten, dass die Miliz sie beschlagnahmen würde. Das wussten Sie, und Sie haben nichts unternommen, um es zu verhindern.«
    »In dem Augenblick spielte die Tasche eine untergeordnete Rolle.«
    »Nicht für mich. War diese Tasche irgendwie schmutzig? Sie dachten, es ist Drogengeld, nicht wahr?« »Ich hatte keine Ahnung, was es war.« »Aber bei Modeleuten gibt es viele Drogen.« »Bei Polizisten auch.« »Sie sind ja so fair.«
    »Ich gebe mir Mühe.« Arkadi wusste nicht, wie sie dem Gespräch diese Wendung gegeben hatte, doch sie hatte es getan. »Es könnte also Drogengeld sein?« »Wer weiß?«
    »Und ich könnte eine Hure sein.« »Das habe ich nie gesagt.«
    »Eine Hure, die über andere Huren schreibt, die die neueste Mode tragen. Scheiß auf sie, sagen Sie. Soll sie doch ausgeraubt werden. Soll sie ruhig die ganze Nacht in Atem gehalten werden, mit immer wieder denselben Fragen, während die Tasche leichter und leichter wird. Ich weiß, dass Sie mit Staatsanwalt Surin kuscheln.«
    »Ich mit Surin?«
    »Ja. Teilen Sie sich Ihren Anteil mit ihm?«
    Arkadi stand auf. Anja versuchte ihm nachzusehen, als er verschwand. Beim Hereinkommen hielt er etwas in der Hand, das aussah wie ein Messer, und sie fuhr zurück, als er es ihr entgegenstreckte.
    »Was ist das?«
    »Ein Brief von meinem lieben Freund, Staatsanwalt Surin. Auf dem Beistelltisch steht eine Lampe. Gute Nacht. Und Sie dürfen gern die Wohnung durchsuchen. Wenn Sie hunderttausend Dollar finden, dürfen Sie sie behalten.«
    Er wartete nicht ab, um zu sehen, ob sie den Brief las.
     
    Arkadi wachte kurz auf. Im Dunkeln spürte er die Anwesenheit einer anderen Person, nicht irgendwo in der Nähe, sondern neben ihm im Bett, einen Millimeter weit entfernt und warm. Der Duft ihres Haars und ihrer Haut umhüllte ihn. Ihr tiefer, gleichmäßiger Atem verriet ihm, dass sie schlief. Er unterließ es, sie zu stören und den Bann zu brechen. Als er am Mittag wieder aufwachte und die Vorhänge aufzog, war Anja verschwunden. Die Leute unten auf dem Gehweg hatten Regenschirme aufgespannt. Das Schlagloch an seinem Ende der Straße wurde größer. Eine Batterie von Arbeitern, allesamt Frauen, schaufelte kochenden Asphalt in den Schlund. Arkadi sah, wie ein Gummistiefel darin versank.
    Die Transparente für die Messe im »Nijinski« hingen schlaff wie Leichentücher herab. Welchen unerhörten Konsumgegenstand mochten sie für den letzten Abend aufgehoben haben? Einen diamantenbesetzten Elefanten? Ein Menschenopfer? Oder Sascha Waksberg selbst, eine zusätzliche Attraktion als Verteidiger der begüterten Klasse? Arkadi musste zugeben, dass er

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