Die goldene Pyramide
deutlich erkannte er die Verachtung, mit der sie ihn anschaute. „Warum belügen Sie sich denn bloß selbst, Thorn? Sie sind doch kein Mann wie Scrivner, voller Habgier und ohne alle moralischen Bedenken. Brächten Sie es wirklich über sich, einen Verwundeten liegenzulassen, nur um sich die Taschen mit Gold füllen zu können?“ Sie nickte, als sie den verblüfften Ausdruck in seinem Gesicht erkannte. „Ich habe wohl gehört, was Ihr Freund vorgeschlagen hat. Wenn man mit überempfindlichen Ohren begabt ist, so mag man das oft als große Hilfe empfinden, häufig aber ist es auch ein Fluch; in diesem Falle aber verdanke ich meiner besonderen Begabung die Erkenntnis, daß in Ihnen noch etwas anderes steckt als pure Habgier. Und ich möchte gern wissen, Thorn, was dieses andere ist. Ob ich es wohl jemals herausfinden werde?“
Noch immer stand sie unbeweglich da und blickte auf ihn hinunter. Dann, nach einer Weile, wandte sie sich ab und ging zu ihrem Vater hinüber. Thorn fühlte sich beschämt.
„Gute Nacht, Pat“, sagte er.
Er lauschte und wartete auf eine Antwort. Aber sie blieb aus.
Langsam schleppte sich die Nacht dahin.
3. Kapitel
Endlich wurde es hell, aber die Dämmerung brachte Regen mit, einen Wolkenbruch, wie man ihn allmorgendlich auf der Venus erlebte. Warm und gleich einem Wasserfall ergossen sich erbsengroße Tropfen von den großen Blättern, trommelnd und platschend sanken sie durch die dichten Baumkronen herab, erreichten den durchnäßten Grund, sammelten sich in flachen, großen Seen und durchlöcherten den weichen schwarzen Lehmboden mit unzähligen kleinen Kratern.
Thorn fluchte anhaltend; sein durchnäßter Anzug klebte ihm am Körper. Wütend riß er sich den Schutzanzug herunter und behielt nur Hosen, Kniestiefel und den Gürtel mit der Pistolentasche an. Alles übrige preßte er zu einem festen Bündel zusammen.
„Der Regen reinigt die Luft“, erklärte er Pat. „Er wäscht die Sporen heraus und durchnäßt die Haut der Pilze, so daß sie dehnbar wird und nicht so leicht reißt. Wenn es lange nicht geregnet hat, ist stets die Zeit der allergrößten Gefahr.“ Er bückte sich und schaute zu dem Verwundeten hinunter. Fenshaw lächelte ihn an.
„Wie geht es Ihnen denn?“ fragte Thorn. „Ist Ihnen ein bißchen besser?“ Er fühlte den Puls des Kranken und prüfte Verband und Schienen.
„Mir ist verdammt elend zumute, aber ich halte schon durch.“ Fenshaw schaute zu seiner Tochter hinüber. „Sagen Sie, Thorn, und seien Sie ganz, ganz ehrlich! Meinen Sie, daß ich es schaffe?“
„Hoffentlich.“
„Ich weiß schon, was dieses Wort bedeutet.“ Der Professor biß sich auf die Lippen und suchte wieder den Blick seiner Tochter. „Hören Sie mal, mein Junge. Falls ich es nicht schaffe, falls ich einmal nicht mehr sein sollte … dann sorgen Sie für sie, ja?“
„Machen Sie sich darum nur keine Sorge.“ Thorn zwang sich zu einem Lächeln. „Unser Marsch wird Sie sicherlich ein bißchen anstrengen, aber ich meine doch, daß Sie auch damit fertig werden können.“
„Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht, Thorn. Versprechen Sie mir, worum ich Sie gebeten habe?“
„Natürlich verspreche ich es Ihnen.“ Der hochgewachsene Abenteurer blickte zu dem verwundeten Professor hinunter. „Aber sagen Sie mir: Weshalb sind Sie so sicher, daß Sie mir Vertrauen schenken dürfen?“ fragte er dann mit schwerer Stimme. „Sie wissen doch nicht mehr von mir, als daß ich ein Vagabund bin.“
„Ich weiß mehr, Thorn. Ich weiß, daß ich Ihnen vertrauen kann.“ Ganz überzeugt klang Fenshaws ruhige Stimme. Und dann bemerkte er, daß Pat zu ihnen trat, und wechselte das Thema. „Was haben Sie jetzt vor, Thorn?“
„Mir bleibt kaum eine Wahl. Wir können nur eines tun. Es ist völlig sinnlos, sich aufs Geratewohl in den Urwald zu stürzen, selbst wenn wir uns einen primitiven Kompaß zusammengebastelt haben. Da wir keinen festen Ausgangspunkt haben, wüßten wir doch nicht, welche Richtung wir einschlagen müssen. Wie leicht könnte es uns passieren, daß wir zehn Kilometer am Flughafen vorbeimarschieren, ohne es zu merken! Oder aber wir könnten von vornherein die falsche Richtung erwischen und uns geradewegs immer weiter von ihm entfernen. Gewiß habe ich schon die Sonne anvisiert, so daß wir wenigstens wissen, wo Norden ist. Aber das ist auch alles.“
„Das sehe ich ein. Aber was sollen wir nun tun?“
„Nach meiner Meinung besteht die einzige Möglichkeit
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