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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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herum, deren moosbedecktes Strohdach dringend der Erneuerung bedurfte. Vor dem Haus verteilte eine Wirtsmagd Suppe aus einem dampfenden Kessel. Der Geruch verriet Lea, dass der Wirt nicht mit Schweinefleisch gegeizt hatte, und so würden Jochanan und sie sich auch hier mit Brot und etwas Käse zufrieden geben müssen.
    Wie gewohnt stellte Lea ihre Kiepe an der Hauswand ab und ging auf den Brunnen zu, um sich zu erfrischen. Die Leute, die dort saßen, musterten die sich nähernden Juden mit verächtlichen Blicken und dachten nicht daran, ihnen den Weg freizugeben. Einige hoben sogar Dreckklumpen auf, um sie zu verjagen. Die Wirtsmagd, die Samuel Goldstaub kannte und sich auf ein gutes Trinkgeld freute, schimpfte lauthals und scheuchte ein paar von ihnen beiseite.
    Lea dankte ihr, trat an den mit Holz eingefassten Brunnen und wusch sich unter den bösen Bemerkungen einiger Umstehender am Abfluss Gesicht und Hände. Dann wollte sie zu der am einströmenden Wasser angebundenen Schöpfkelle greifen, um zu trinken, aber einer der Reisenden riss sie ihr aus den Händen.
    »Nimm gefälligst deine Hände, Jude. Oder glaubst du, ehrliche Christenmenschen wollen ein Gefäß benutzen, das du mit deinen schmutzigen Lippen besudelt hast?«
    Da der Mund des Mannes vor Schweinefett triefte, beugte Lea sich schnell über den Wasserstrahl, um ihren angewiderten Gesichtsausdruck zu verbergen. Nach dem Anblick war es ihr lieber, das Wasser aus ihren Händen zu trinken. Auf der anderen Seite tat es ihr eine hübsche, junge, aber schon sehr füllig gewordene Frau gleich, und als sich ihre Blicke kreuzten, stieß die Fremde einen Schrei aus und schlug die Hände vors Gesicht, so dass das Wasser über ihr Kleid lief. Sie schüttelte sich und rannte dann so schnell um den Brunnen herum, dass sie wie eine rollende Kugel wirkte.
    »Gott im Himmel! Das kann doch nicht wahr sein! Samuel! Bist du es wirklich, oder narrt mich ein Spuk?«
    Lea erkannte ihr Gegenüber erst an der Stimme. »Gretchen?
    Gretchen Pfeifferin?«
    Die Frau nickte. Es war tatsächliche die Freundin aus Sarningen, die Lea und ihren Geschwistern das Leben gerettet hatte.
    Gretchen schluchzte vor Freude und umarmte Lea ungeachtet der empörten Blicke ihrer Reisegenossen. Dann musterte sie Lea zweifelnd und riss dabei Mund und Augen auf. Eine scharfe Falte erschien auf ihrer Nasenwurzel, und sie strich wie suchend über Leas Gesicht.
    »Du bist ja Lea! Aber wieso …« Zum Glück sprach sie so leise, dass kein anderer ihre Worte hörte.
    Lea zuckte zusammen und sah sich hastig um. »Bitte schweig, sonst bringst du mich in größte Schwierigkeiten.«
    Da ihre Verkleidung auf den langen Wanderungen noch nie angezweifelt worden war, hatte sie beinahe schon vergessen, in welcher Gefahr sie beständig schwebte. Wenn aufkam, dass Samuel tot war und sie die Geschäfte unter seinem Namen und in Männerkleidung führte, würden sie und die Ihren Hartenburg nicht rasch genug verlassen können, um dem Zorn des Markgrafen zu entgehen.
    Gretchen wirkte genauso ängstlich wie damals und handelte ebenso kaltblütig, denn sie zog Lea ein Stück zur Seite, lachte dabei so laut, dass es in Leas Ohren viel zu unecht klang, und schüttelte verblüfft den Kopf. »Warum läufst du als dein Bruder herum?«
    »Weil ich Elieser ersetzen muss. Er war noch lange krank und ist ein …« Lea brach ab, denn sie wollte das Wort Krüppel vor ihrer Freundin nicht gebrauchen. »Er leidet immer noch unter den Folgen seiner schweren Verletzungen.«
    »Deswegen musst du dich als Mann verkleiden?«
    »Erinnere dich, dass du mich in Männerkleidung gesteckt hast. Die Torwächter haben mich bei unserer Rückkehr prompt für Samuel gehalten, und kurz darauf hat der Markgraf meinen Bruder unter Androhung schwerer Strafe zu sich rufen lassen. Ich habe mir einen Kaftan übergestreift und bin hingegangen. Damals habe ich nicht erwartet, dass ich diese Rolle noch viele Jahre lang würde spielen müssen, aber Eliesers Schwäche zwingt mich dazu. Bitte nenne mich auch in Zukunft Samuel, wenn du mich in Männerkleidung siehst. Wenn herauskommt, wer ich wirklich bin, wird es mich und die Meinen das Leben kosten.«
    Gretchen nickte. »Oh ja, das glaube ich auch. Man würde dich aller möglichen Verbrechen anklagen und auf den Scheiterhaufen binden. Keine Sorge, Samuel, ich verplappere mich nicht. Mein Gott, was bin ich froh, dich schon hier getroffen zu haben.«
    Lea lächelte ein wenig über den Überschwang, der aus den

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