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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Mirjam oder Noomi gesehen. Vielleicht lagen sie tot in den oberen Stockwerken, aber Lea hoffte, dass sie hatten entkommen können.
    Als sie unter ihrer Last schwankend Gretchens Haus erreichte, erwartete die Freundin sie schon an der Hintertür und zog sie hinein. Dann legte sie den Riegel so hastig vor, als hätte sie sogar Angst vor dem Wind, der durch die Gasse strich.
    »Elieser lebt noch«, rief Lea ihr keuchend zu. »Er braucht dringend einen Arzt, sonst stirbt er uns noch unter den Händen.«
    Gretchen versuchte, die Angst abzuschütteln, die sie in den Klauen hielt, und wandte sich mit verbissenem Gesicht zur Vordertür. Aber ehe sie sie erreichte, vertrat ihr Mann ihr den Weg.
    »Bist du wahnsinnig geworden, Weib? Wenn wir jetzt einen Arzt holen, erfahren alle, dass wir hier Juden versteckt halten!«
    Lea legte Elieser vorsichtig auf die Truhe und blickte Gretchens Mann herausfordernd an. »Mein Bruder stirbt, wenn seine Verletzungen nicht behandelt werden.«
    »Besser er als wir alle.« Peter Pfeiffer bedachte den Bewusstlosen mit einem bösen Blick, so als mache er ihn jetzt schon für alle Schwierigkeiten verantwortlich, die noch auf ihn zukommen konnten.
    Lea begriff, dass der Mann in Todesangst schwebte, und hatte gegen ihren Willen sogar Verständnis für ihn. Wenn durch seine Schuld bekannt wurde, dass der Überfall auf die Sarninger Juden von langer Hand vorbereitet worden war, würde er mit seinem Leben dafür büßen. Alban von Rittlage konnte nur dann sein Gesicht vor dem Kaiser wahren, wenn es so aussah, als wäre das Pogrom aus einer spontanen Empörung der einheimischen Christen entstanden, der er nicht mehr hatte entgegentreten können. Lea empfand das erste Mal in ihrem Leben Hass und wünschte sich, sie hätte die Macht, dem verräterischen Vogt die Maske vom Gesicht zu reißen und ihn vor das kaiserliche Gericht zu zerren. Aber ein Jude hatte weniger Chancen, dort Hilfe zu bekommen, als eine Fliege im Spinnennetz. Daher mahnte sie sich selbst, sich nicht mit Hirngespinsten abzugeben, sondern sich um Elieser zu kümmern, dessen Leben an einem dünnen Faden hing.
    Sie winkte ihre Schwester zu sich, die bleich und ängstlich neben der Falltür zum Keller stand. »Komm und hilf mir, Elieser zu verbinden. Wir müssen die Blutungen stoppen und seine Knochen schienen.«
    »Nicht hier im Flur! Los, schafft ihn in den Keller, wo ihn niemand sieht. Hier heroben darf er nicht bleiben.« Peter Pfeiffer hob die Hände und machte ein Gesicht, als wollte er die drei Juden am liebsten mit einem Stoß in die Hölle befördern.
    Lea stampfte wütend auf. »Unten ist es feucht und schmutzig, und es gibt kein Licht.«
    Froh, etwas tun zu können, eilte Gretchen in eine Kammer und kehrte mit einer Decke und einem Besen zurück. »Ich mache unten sauber. Dann kannst du deinen Bruder auf das Gestell legen. Rachel, hältst du mir die Lampe?« Sie nahm ihrem Mann die Lampe ab und reichte sie Leas Schwester.
    »Du willst das gute Stück doch nicht etwa für diesen Judenbalg opfern?« Gretchens Schwiegermutter stellte sich ihr in den Weg und wollte nach der Decke greifen.
    Ihr Sohn hielt sie zurück. »Lass sie! Der Hartenburger Jude war großzügig zu uns. Außerdem wird Gott es uns lohnen.«
    Für einen Moment glaubte Lea, er habe begriffen, dass er sich gegen Gottes Gebote versündigte, dann aber hörte sie ihn leise auf seine Mutter einreden. »Wir müssen dem Judengesindel helfen, sonst haben wir einen Toten am Hals. Wie sollen wir denn eine Leiche beseitigen, ohne dass es jemandem auffällt? Also bete, dass der Bengel nicht in unserem Haus stirbt.«
    Lea konnte nicht verstehen, was die Alte ihm antwortete, denn Gretchen tauchte aus der Falltür auf und rief ihr zu, dass sie Elieser jetzt hinunterbringen könne. Da Rachel sich strikt weigerte, ihren Bruder anzufassen, half sie Lea, den Verletzten hinunterzutragen, und als der Junge endlich auf seinem provisorischen Bett lag, waren beide am Ende ihrer Kraft.
    »Wir brauchen einen Arzt«, beschwor Lea die Freundin.
    »Peter lässt mich doch nicht aus dem Haus. Außerdem gibt es keinen mehr, der deinem Bruder helfen könnte. Der beste Arzt in der Stadt war der ehrenwerte Doktor Baruch ben Joschija, und den hat man auch verjagt – oder umgebracht. Die beiden christlichen Ärzte in der Stadt sind Quacksalber, die deinen Bruder schneller ins Jenseits befördern würden als seine schrecklichen Wunden.«
    Lea packte Gretchen an der Schulter. »Aber ihr müsst doch

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