Die Goldmacherin Historischer Roman
Tisches ab, holte einen Leinsack hervor und nahm von jeder Seite rechts und links zwei Bauern weg. So blieb das Schachbrett wenigstens spiegelbildlich aufgestellt.Von der Jagdmeute nahm sie von zehn Hündchen zwei heraus, von sieben Jägern einen, von acht Herzögen den hintersten in der Reihe. Das eine Zeltchen noch, die goldene Einfassung eines Fliederbuschs, hier ein Spießchen, da noch einen kleinen Hut.
Sie war sich nicht sicher, ob der Leinensack, in den sie alles einsammelte, schon schwer genug war. Aber mehr traute sie sich nicht mehr zu nehmen. Unter einem arglosen Blick des Kaisers durfte der Tisch nicht leerer aussehen, als er es gewohnt war.
Aurelia wandte sich zum Gehen, da blitzten am vierten Tisch mit dem Regenbogen Smaragde auf. Sie hielt inne.
Sollte sie je mit Romuald fliehen, brauchte sie Geld, viel Geld, um die Häscher zu bestechen und weit in den Süden zu kommen.
Es waren so viele grüne, rote und blaue Steine, dass es nicht auffiel, als sie von jeder Farbe zwei in ihren Mantel steckte.
Beeil dich, Aurelia! Weißt du, wie lange der Dunst bei einem kräftigen Kerl wie dem Wächter wirkt? Sie schlüpfte durch die geheime Tür in die kaiserliche Hauskapelle zurück, schloss ab und verwahrte den Federschlüssel an ihrer Brust.
Das Windlicht blies sie aus, nahm Speer und Dolch aus dem Winkel, trat durch die Pforte hinaus in den Gang und drückte dem Wächter die Waffen wieder in die Hand. Seine Finger ließen sich ganz leicht bewegen, so tief betäubt umfing ihn noch immer der Dunst.
Aurelia schlich leise davon. Den ganzen Weg zurück wagte sie kaum zu atmen.
»Mutter Gottes, gedankt sei dir.« In ihrem Turmstübchen strich Aurelia über das Gold und die Steine, die sie auf ein weißes Wolltuch verteilt hatte.
Die goldenen Figuren legte sie auf die Alchemistenwaage, die sie vorsorglich aus dem Laboratorium heraufgebracht hatte. Unze für Unze zählte sie das Gewicht zusammen, aber auch mit dem dicken Herzog aus Gold reichte es nicht.
Aurelia setzte sich mit einem Seufzer auf ihr Bett. Das hieß, sie müsste noch mindestens zwei Unzen Gold auftreiben.
Denn die Figuren enthielten auch minderwertige Metalle. Aurelia würde sie in der Frühe im Laboratorium einschmelzen und abscheiden, bis sie reines Gold gewonnen hatte. Sie rieb sich die müden Augen. Einen zweiten Einbruch in die Schatzkammer konnte sie nicht wagen.
Ihr Blick fiel auf die wertvollen Steine auf dem Wolltuch. Aurelia hatte sie in den Saum ihres Hemdes einnähen wollen, um sie zu verbergen. Genauso gut konnte sie aber zwei oder drei gleich gegen Gold eintauschen.
Sie sah zur Luke hinaus in den sternenübersäten Nachthimmel. »Bleibt mir hold«, flehte sie. »Und sagt mir, Sterne, wer tauscht mir die Smaragde bloß ein?«
45
S chlag sechs in der Früh, als sich die Burgtore öffneten, trat Aurelia aus dem Palast. Würde jemand sie fragen, dann wollte sie Pechöl in der Kupfergasse holen, mit Holz allein konnte sie kaum länger ein großes Feuer im Laboratorium am Brennen halten. Jeder Schmied würde ihr Recht geben.
Aber im Morgengrauen lagen die meisten Höflinge noch im Bett, selbst die Kanzleischreiber labten sich noch an Milch und Weck. Von Rüdesheim würde kaum auf den Zinnen spazieren gehen, allenfalls seine jungen Diener aus dem Stroh scheuchen.
Aurelia kämpfte sich gegen den Strom der hereindrängenden Dienstleute, die nicht in der Burg schlafen durften, durchs Tor hinaus. Die Arbeit am Hof war begehrt. Für jede tätige Hand fand sich immer ein Stück Brot oder ein Zipfel Wurst, nicht nur Brei oder verdünnte blaue Milch wie in vielen Bürgerhäusern der Stadt.
Der Himmel schimmerte weißlich. Schon kurz hinter dem Graben rollten noch Ausputzerwagen durch die Gassen, einen Nachtwächter sah sie am Gänsemarkt um eine Ecke biegen. Hie und da roch es nach frischem Brot aus den Backstuben.
Aurelia lenkte ihre Schritte an der Schmiedegasse vorbei ins Gerberviertel. Der Gestank war groß, doch ihr war es recht: Hier würde sie kaum auf Hofleute treffen. Vorm Lohmarkt bog eine enge Gasse ab. Die Schranke am Ghetto war noch herabgelassen. Die Fenster in den Häusern waren zugemauert, die Durchfahrt gerade so breit wie ein Wagen.
»Was wollt Ihr dort, Herr?« Aus dem Unterstand trat ein dürrer Wächter vor.
Aurelia hielt sich die Wange. »Ich geh, um einen Zahnbrecher zu finden.« Sie drückte dem Wächter vorsorglich eine Kupfermünze in die Hand. »Die Juden haben die besten.«
»Wohl wahr! Geht zum
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