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Die Goldmacherin Historischer Roman

Titel: Die Goldmacherin Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Conrad
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Beschlüsse vom Stadtausrufer vernommen. Die Juden müssen gehen und sich mit ihren Häusern beim Herzog freikaufen. Die standlosen Neuwohner, wie du und dein Vater es gewesen sind, müssen ebenfalls sofort Mainz und das Bistum verlassen und mit ihren Häusern dafür zahlen, dass die Stadt ihre toten Verwandten beerdigen lässt.«
    Das hieß bestimmt nicht mehr, als dass die Toten verscharrt wurden. Aurelia sank auf die Knie, sie fiel einfach gegen Nathaniel. Hatte sie solche Geschichten nicht oft genug auf den Landstraßen gehört?
    Der alte Jude legte ihr die Hand auf den Kopf. »Gehe gar nicht erst zurück. Wer weiß, was sie dir antun, wenn du dich blicken lässt? Die Schmiede sind ein raues Volk und keine guten Nachbarn. Selbst viele Mainzer haben gestern schon vor Anbruch der Nacht geplündert. Was auch immer dein Vater und du vergraben habt, in euren ausgebrannten Mauern wirst du nichts mehr davon finden.«
    Aurelia war es, als kröche Eis in ihre Knochen. Das Buch des Zwerges aus Granada, das sie durch so viele Jahre, so viele Länder gerettet hatten, das ganze alchemistische Wissen war zu Asche verbrannt. Das wahre Erbe ihres Vaters war zerstört, für immer. Angst ergriff Besitz von ihrem Herzen.
    Nathaniel nahm die Hand von ihrem Haupt. »Das ist noch
nicht alles, mein Kind. Du musst dich heute schon mit allen Mittel- und Mündellosen auf dem Holzmarkt versammeln. Vor Sonnenuntergang noch werden sich die Stadttore hinter euch schließen.«
    Sie saßen einfach da, wie lange, wusste Aurelia nicht. Nichts als Rahels leises Schluchzen war zu hören.
    Schließlich ergab sich Aurelia in ihr Schicksal. Langsam erhob sie sich vom Boden. »Ich danke Euch für alles.« Sie umarmte den alten Nathaniel.
    »Möge Gott dir helfen«, flüsterte er kaum hörbar.
    Aurelia drückte ihre Freundin ganz fest an sich. Rahel strich ihr über die Wange, die Tränen waren versiegt. Die uralte Kraft ihres Volkes lag in ihrem Blick. »Warte.«
    Rahel kramte in einer Kiste. Nathaniel ließ es geschehen, dass sie Aurelia ein großes Wolltuch umlegte und eine Handvoll Münzen in die Hand drückte. »In größter Not zu teilen, bringt gutes Masel«, flüsterte sie.
    Aurelia sah auf das Kupfergeld. Rahel und ihre seltsamen Worte würden ihr so fehlen. »Wie soll ich Euch nur danken.«
    »Indem du weiterlebst, mein Kind«, sagte Nathaniel leise.
    Aurelia wandte sich ab, ging rasch zur Holztür, solange ihre Füße sie noch trugen, und schlüpfte aus der Kammer.
    Im Hof des Bischofpalastes drängte sich viel Gefolge der neuen Nassauer Herren. Die wilden Kerle waren behängt mit allerlei Schmuck und bunten Stoffen, die sie nur aus den Mainzer Häusern geraubt haben konnten. Aurelia ertrug die siegestrunkenen Gesichter nicht. Sie hielt sich im Schatten zweier Pferdefuhrwerke, die eben aus dem Hof hinausrollten, damit sie ungeschoren davonkam.
    Vor den Palastmauern kam ihr ein neuer Gedanke. Mittelund mündellos sei sie, hatte Nathaniel gesagt. Aber gehörte sie als Romualds Braut nicht zur Schriftsetzerzunft?

8
    D as faule Gesocks muss auf den Holzmarkt«, schrie sich der Nagelmacher heiser, »sonst verfressen die unser letztes Brot!« Der alte dürre Mann hing über das Fensterbrett, Frauenarme zogen ihn zurück ins Innere des Hauses. Aurelia hatte ihm oft einen Wein eingeschenkt, wenn er bei Vater teures Lötpulver kaufte. Nun hatte er so wenig Augen für sie wie für die anderen Armen, die man aus allen Winkeln und Gassen der verwüsteten Stadt zum Holzmarkt trieb. Aurelia hatte es gar nicht erst zum Zunfthaus der Schriftsetzer geschafft. Geradewegs war sie den Schergen des Nassauer Herzogs in die Arme gelaufen.
    Stundenlang hatte sie an der Münsterkirche verharren müssen, weil der Auszug der Juden die Gasse versperrte. Selbst auf Zehenspitzen hatte Aurelia keinen Blick mehr auf Rahel oder ihre Leute erhaschen können. Nach den letzten gelben Hüten hatte man sie weitergedrängt – und Aurelia hatte erst in diesem Augenblick begriffen, wie schrecklich allein sie nun auf der Erde war. Ohne die von allen Seiten drängende Menschenmenge wäre sie zu Boden gesunken und einfach liegen geblieben.
    Sie kannte keinen der Bettler, die um sie herum voranschlurften. Auch die in Lumpen gehüllten Männer und Frauen waren ihr unbekannt, von denen manche aufrecht mit ein paar Bündeln auf dem Rücken fast stolz vorangingen. In den Städten arbeiteten Knechte und Mägde für fast nichts, wenn sie nur ein Dach über dem Kopf und einen Teller Brei am

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