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Die Goldmacherin Historischer Roman

Titel: Die Goldmacherin Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Conrad
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anderer Herr beigebracht.«
    Die ersten Nonnen bekreuzigten sich. Mechthild sank wie in Ohnmacht auf ihre Bank, während Ruth und Senta verächtlich das Kinn hoben.
    »Aber nein. Wir und die Schmiede waren fast Nachbarn und …«, stammelte Aurelia. Sie wusste nicht recht weiter.
    »Fallen dir keine Lügen ein?«, sagte der Bischof kalt. »Dein pferdefüßiger Herr kann dir nicht helfen, du stehst auf geheiligtem Grund. Ein letztes Mal, woher hast du das Wissen um die Höllenbälle aus Pech und Schwefel?«
    Nicht einmal mit dem kostbaren Buch in der Wand könnte sie ihn überzeugen. Alchemie galt der Kirche als Teufelskunst. Was sollte sie nur entgegnen?

    »Dein Schweigen genügt mir als Geständnis.« Der Bischof neigte sich vor, stützte das feine Kinn auf seinen roten Handschuh. Seine Augen hatten sich in blaues Eis verwandelt. »Du hast es beim Teufel gelernt, dem Herrn von Pech und Schwefel. Nur der lehrt seine Buhlschaften solcherlei. Und verleiht ihnen solchen Liebreiz und Wortkunst wie dir.« Er stand auf und breitete die Arme aus. »Du bist der schweren Hexerei schuldig! Kraft meines Amtes verurteile ich dich zur härtesten Strafe. Du hast dein Leben verwirkt. Bald schon wird dein Leib gerichtet und deine Seele in die ewige Verdammnis eingehen.«
    Aurelia hörte nur vielstimmiges Stöhnen im Kirchenschiff, hämisches wie mitleidsvolles. Die leisen Schluchzer in der zweiten Bank verrieten ihr, dass Mechthild begriff, welche Sünde sich die Nonnen aufluden, weil sie nicht für Aurelia eintraten. Denn sie hatte sie vor dem Verkauf der Marientränen gewarnt.
    Enhardis richtete sich im Stuhl auf. »Sie ist keine Nonne, nur Novizin.«
    Der Bischof legte die Hände ineinander. »Somit hat sie keinen geistlichen Stand und kein Anrecht auf den Tod durch das Schwert. Ich nehme sie mit mir.« Spott umspielte seinen vollen Mund wie bei einem Possenreißer auf den Jahrmarktsbühnen. »Schafft die Hexe von diesem geweihten Grund. Sofort.« Er winkte mit seinem Handschuh.
    Der Mann im schwarzen Lederschurz packte Aurelia mit Fingern wie aus Eisen und riss sie vom Altar weg. Seine stoppeligen Wangen zierten alte Narben.
    »Gott und die Heilige Jungfrau stehen mir bei, ich bin unschuldig.«
    »Die Hexe soll schweigen«, befahl der Bischof, dem schon die Nonnen durch das Kirchenschiff folgten. »Schlag ihr aufs Maul.«

    Der Ledermann ohrfeigte Aurelia so heftig, dass ihr einen Augenblick die Sinne schwanden. Er schleifte sie an den Händen entlang über den Kirchenboden, warf sie an der Schwelle über seinen Rücken und trug sie hinaus in den Hof wie erlegtes Wild.
    Das Gesinde gaffte von allen Türen, Toren und Fenstern her.
    Mitten auf dem Hof vor einem Pferdewagen stand ein Kasten, kaum so hoch wie ein Mann. Ein Pferdebursche öffnete den Deckel.
    Da hinein kippte der Ledergeschürzte sie wie einen Sack Mehl. Beim Aufprall durchzuckte ein unsäglicher Schmerz Aurelias Leib, der Deckel schlug über ihr zu. Ihr Geist stürzte in eine solche Furcht, dass er weder Gedanken noch Worte fand. Aurelia konnte sich nicht mehr rühren, so eng und dunkel war es; sie fühlte nur, wie Blut aus der aufgerissenen Haut an ihren Beinen sickerte.

21
    A urelia hatte jedes Zeitgefühl verloren, nur am Wechsel von dämmrigem Licht zu völliger Schwärze vermochte sie noch die Tage zu zählen. Sie rechnete sich aus, dass man inzwischen in den Stuben des Bischofspalastes den 10. Februar 1463 schrieb. Dort oben, weit über ihr, in der Wärme und im Licht, freute man sich wohl auf die bald bevorstehende Fastnacht und die ausgelassenen Tänze in den Gassen.
    Ach, tanzen, einmal noch tanzen in Romualds Armen … Aurelia umfasste ihre Beine auf der Pritsche des Verlieses. Der Schorf und die blauen Flecken, die ihr das raue Holz dieser schrecklichen Holzkiste zugefügt hatte, waren längst vergangen. Die Stimmen der Männer auf dem Wagen hatte sie nicht verstehen können, als sie stundenlang über Landstraßen gerumpelt waren. Nicht einmal für eine Notdurft hatte man sie herausgelassen, bis der Henker hier in diesem Verlies den Deckel der Kiste geöffnet hatte.
    Da hatte noch eine Fackel gebrannt, doch die war längst erloschen. Zehn Ellen hoch war das Loch aus Feldsteinen, in dem sie nun festsaß. Frisches Stroh bedeckte einen zwar trockenen, aber eisigen Boden. Auf ihr Flehen, ihre Fragen, wo sie sei, hatte der Henker zwischen den Zähnen hervorgestoßen, Beim Bischof zu Speyer . Sein Blick glich dem eines hungrigen Hundes, den man immerzu in den

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