Die Goldmacherin Historischer Roman
Scheunen luden sie ab. Die Herren waren längst im Haupthaus verschwunden.
Die Taschen mit den Tinten trug der Alte immer zuerst ins Trockene. Romuald lud sich die schweren Pergamentbände in
die Hippe, die dafür im Wagen bereitlag. Als er gerade aussteigen wollte, kam Arwin, der junge Leibdiener des mitreisenden päpstlichen Abgesandten, angelaufen. »Romuald, lass stehen«, sagte er atemlos. »Du sollst zum Legaten kommen.«
»Ich? Du meinst wohl ihn, mein Junge.« Romuald deutete zum Schreiber.
»Der heißt doch Gisbert und nicht Romuald wie du.« Arwin legte den Kopf schief und wartete.
Der Alte machte ein langes Gesicht und zuckte mit den Schultern. »Ich find schon einen für das schwere Zeug. Geh lieber.«
Romuald wischte sich über die Stirn und griff nach seiner neuen gefütterten Wolljacke, die man ihm im Tross geschenkt hatte. Dann folgte er dem jungen Diener. Dieser hatte es so eilig, dass die Schöße seines einfachen Umhangs flatterten.
»Dorthin!« Arwin zeigte am Hintereingang des Haupthauses die Richtung, verschwand aber selbst im Bauernhaus. Romuald ging um die Ecke herum. Zur Talseite hin erstreckte sich ein unordentlicher, kaum gejäteter Gemüsegarten voller welker Sträucher, ein paar erste Narzissen sprossen vor einer Bank. Dahinter ragte ein Gitter auf, das von einem Knöterich überwuchert war. Noch ganz wintergelb hingen die vertrockneten Blätter an den Ästchen.
Romuald erkannte den päpstlichen Legaten gleich am aufwändigen schwarzen Pelzbesatz seines Kirchenmantels. Den kleinen, runden Kopf wiegte er auf den Schultern. »Du bist also der Romuald, um den man sich so sorgt.«Von Rüdesheim musterte ihn lange, als ob er durch Romualds Kleider hindurchschauen wollte.
»Ihr habt mich rufen lassen?« Bei den Leuten im Tross galt der Legat als halbwegs gerecht, aber streng auf Ehrerbietung bedacht. Romuald setzte, wie es sich vor einem hohen Herrn geziemte, einen Fuß vor und verneigte sich.
»Du kannst dir großen Verdienst erwerben, Mann.« Der Legat verschränkte die Hände vor dem Mantel.
Adelsleute oder die Kirche gaben nichts umsonst, das hatte Romuald schon in Mainz gelernt. »Was muss ich dafür tun?«, fragte er vorsichtig.
»Später. Schau erst, welchen Preis du dir erringen kannst.« Der Legat hob die Hand und wies zum Gitter. »Geh drum rum.«
Romuald trat über das braune Gras am Gitter vorbei an eine Art Laube.
»Na, schau ruhig«, ermutigte von Rüdesheim ihn.
Das Geschmeichle des Legaten machte ihn misstrauisch.
»Romuald!«, ertönte da ein Ruf.
Eine Gestalt war aufgesprungen, ein weiter Mantel fiel von schmalen Schultern, die Haube flog zu Boden.
Gab es das wirklich? Romuald vergaß fast zu atmen. »Das ist Zauberwerk.« Er wich zurück vor diesem wunderbaren Trugbild, das ihr so glich. Es war ihr Gesicht, ihr Haar. Seine Lippen bebten. »Aurelia ist doch tot!«
»Nein, mein Geliebter«, hauchte das Wesen.
Grüne Augen strahlten wie damals, als er sie daheim unter dem Kirschbaum geküsst hatte.
Warme Arme umschlangen ihn. »Ich bin’s. Ich bin’s wirklich!«
Der lebendige Leib an seiner Brust täuschte nicht. »Aurelia.« Sein Blut wallte auf, verschlang jeden Gedanken. Romuald drückte sie fest an sich und war nur noch froh um dieses Wunder.
Er wollte gerade fragen, wie es möglich war, dass sie noch lebte, als sich ihr reines Gesicht zu ihm hob, ihre von Glückstränen erfüllten Augen ihn ansahen wie je, da vergaß er alles. Sanft, ganz sanft küsste er sie, hielt sie fest und wiegte sie leise. Die Erleichterung beim ersten Kuss verschmolz mit der Leidenschaft
des zweiten, dritten … »Ach, Aurelia«, seufzte er. Romuald hatte nicht geglaubt, noch einmal solches Glück zu verspüren.
Aurelia wusste nicht, wie lange sie in Romualds Armen gelegen hatte, als sie ein scharfes Räuspern in der Laube hörte. Sie wusste nur, dass diese kleine Ewigkeit viel zu kurz gewesen war.Viel zu lange hatte sie Romualds Hände auf ihrem Leib vermisst, und nun hatte sie ihn endlich, endlich wieder fühlen dürfen, seine Augen sehen, seine Stimme hören.
»Nun, wie stehst du zu diesem süßen Preis, Mann?« Der Legat war vor sie beide getreten.
Der Spott in seiner Stimme war kaum verhohlen. Aurelia schloss rasch ihren Mantel über dem verrutschten Unterhemd. »Er hat mich längst errungen.Wir sind verlobt.«
»Wirklich?« Der Legat legte die Hände vor der Brust ineinander. »Davon weiß der Zunftmeister zu Mainz aber nichts mehr.« Er spitzte die Lippen
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