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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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ein Kaufmann, aber eines Tages begann er damit, die Bibel zu studieren, und erkannte, dass allein der Glaube an Christus vor dem ewigen Verderben rettet und nicht die Lehren der römischen Kirche, die die Menschen nur unterdrückt und ihnen das wahre Evangelium von der Liebe Gottes vorenthält.«
    Baldo bemerkte Cristins verwirrten Gesichtsausdruck. Was der Mann von sich gab, roch verdächtig nach Ketzerei!
    Als weder er noch Cristin antworteten, sprach Landsberg weiter. »Für uns ist nicht das Wort des Papstes die oberste Autorität, sondern die Heilige Schrift. Deshalb lehnen wir auch die Heiligenverehrung, die Lehren vom Fegefeuer und vom Sündenablass ab.«
    Piet hob eine Braue. »Ich kann mir denken, dass die Kirche darüber nicht erfreut ist«, entgegnete er. Schließlich bedeutete es, den Heiligen Vater mit all seinen Gesetzen anzuzweifeln.
    Landsberg nickte. »Roms Antwort kam schnell. Sie lautet Verleumdung und Verfolgung, wo immer ihre Häscher uns finden. Doch nicht nur unsere Schriften, die in ihren Augen ketzerisch und teuflisch sind, verbrennen sie, Tausende von uns haben sie schon zu Tode gebracht. Aber nicht wir Waldenser allein werden um unseres Glaubens willen verfolgt, in England bekämpft die Kirche auch die Anhänger John Wycliffs, weil sie den Papst als Antichristus bezeichnen und dieselben Lehren vertreten wie wir. All das wurde schon über tausend Jahre vorher gesagt. Es war Rom, das der Apostel unseres Herrn in seiner Offenbarung prophetisch beschrieb – eine von Christus abgefallene Kirche, die der Herr schon bald für ihre Sünden richten wird!«
    Genau wie Baldo und Piet verstand auch Cristin kaum etwas von dem, was dieser dem ersten Anschein nach etwas unscheinbare Mann sagte, aber seine lebhafte Gestik und das Leuchten seines Gesichtes zeigten die Leidenschaft, mit der Landsberg seinen Glauben vertrat. Es war faszinierend, zu beobachten, wie aus dem unauffälligen Händler ein überzeugender Redner wurde, der es verstand, die Menschen in seinen Bann zu ziehen. Insgeheim musste sie ihm recht geben. Sie hatte es ja am eigenen Leibe erfahren, wie Priester und Richteherr Hand in Hand zusammengearbeitet und sie zum Tode verurteilt hatten.
    »Was meint Ihr, Landsberg? Wie viel ist unser Fund wert?«, unterbrach Piets Stimme ihre Gedanken.
    Der Angesprochene schürzte die Lippen. »Ich schätze, zumindest der größere Stein muss kaum noch bearbeitet werden.« Er zwinkerte Piet zu. »Vielleicht hängt er schon bald an einer goldenen Kette und ziert den Hals der Frau eines Grafen oder Fürsten …«
    »Wie viel, Landsberg?« Baldo kreuzte die Arme vor der Brust.
    Der Bernsteinhändler streckte die Hand aus. »Lasst mich noch mal sehen!«
    Cristin gab ihm die beiden Steine.
    Der Mann wiegte den Kopf leicht hin und her, als überlegte er. »Ich gebe Euch drei Goldgulden dafür.«
    Ihr Herz machte einen Hüpfer. Drei Gulden, Goldgulden sogar! Diese Summe musste man auf dem Markt für ein Rind bezahlen!
    »Für den Stein mit der Libelle kriegt Ihr fünf.«
    »Acht Gulden sind Euch die beiden Steine wert?«, stieß Cristin hervor.
    »Mehr kann ich Euch leider nicht geben.« Landsberg hob die Schultern. »Seid Ihr damit einverstanden?«
    Sie nickte, immer noch verblüfft über die hohe Summe, die der Bernsteinhändler ihnen bot. Schließlich handelte es sich bei ihrem Fund nicht um Goldstücke, sondern nur um zwei ungewöhnliche Steine.
    »Ihr müsst mich allerdings zu meinem Geschäft begleiten. So viel Geld trage ich natürlich nicht bei mir.«
    »Natürlich nicht.« Piet warf Cristin einen bedeutungsvollen Blick zu.
    »Dann kommt.«
    Landsberg setzte sich in Bewegung, und die drei folgten ihm. Lump hielt sich dicht neben ihnen.

2
     
    E inige Zeit später erreichten sie ein reetgedecktes Häuschen, das sich am Ende einer engen, ungepflasterten Gasse von Lebamünde befand.
    »Fische und Bernstein«, erklärte der Bernsteinhändler ihnen. »Davon leben die Menschen hier.«
    Er schloss die Haustür auf und bat sie einzutreten. Während Landsberg einen Vorhang zur Seite schob und in einer Kammer verschwand, schaute sich Cristin um. Ein Tresen und einige Holzregale an den Wänden waren die einzigen Möbel in dem kleinen Raum, doch als sie näher an die Regale trat, bemerkte Cristin sie: eine Unzahl offener Kästen, Körbchen und anderer Behältnisse, in denen Bastian Landsberg seine Bernsteine aufbewahrte. Behutsam nahm sie einen der größeren aus einer hölzernen Schale und hielt ihn hoch. Anders

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