Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
ein Riese sie dort aufgehäuft. Er sah Piet zu, der stehen blieb, sich nach einem langen, angespülten Ast bückte und ihn in zwei Teile brach. Als Lump, der ein Stück vorausgelaufen war, das Knacken des Holzes hörte, rannte er zu ihnen zurück, dass der Sand unter seinen breiten Pfoten nur so spritzte. Baldo lächelte, als er das Tier unter lautem Gebell und mit aufgeregt wackelndem Hinterteil vor Cristins Bruder stehen sah.
Piet hob das Holzstück hoch. »Na los, Lump! Bring es zurück!«
Mit einer kraftvollen Bewegung warf er es im hohen Bogen ins flache Wasser. Voller Begeisterung schoss der Hund an ihnen vorbei und warf sich in die auslaufenden Wellen. Baldo ließ die friedlichen Bilder auf sich wirken. Lump, der im Wasser nach dem Holz suchte, um es kurz darauf mit heftig wedelndem Schwanz vor Piet abzulegen und dafür mit einem Streicheln belohnt zu werden. Cristin, die inzwischen mit gesenktem Kopf im weichen Sand nach Muscheln suchte. Hatte er sie jemals so gelöst erlebt?
Jäh blieb sie stehen. Baldo strich sich eine Haarsträhne, die sich von dem frischen Wind aus seinem kurzen Zopf gelöst hatte, aus dem Gesicht und beobachtete, wie sie sich zwischen Seetang und Muscheln bückte. Dabei schirmte er die Augen gegen das Sonnenlicht ab.
Cristin drehte sich zu ihm um. »Schau mal, Baldo, was ich gefunden habe.« Sie hielt einen taubeneigroßen Stein in der Hand, der goldgelb im Sonnenlicht schimmerte.
»Ist der nicht wunderschön?«
Baldo trat näher. »Was mag das sein?«
»Da ist etwas drin.« Sie blickte sich nach ihrem Bruder um. »Sieh nur, Piet.«
Dieser pfiff Lump herbei, der nur widerwillig sein feuchtes Spiel unterbrach. Der Hund schüttelte sich und trottete auf die kleine Gruppe zu.
»Zeig her.« Piet streckte die Hand aus, und sie ließ den Stein hineinfallen. Er hielt ihn gegen das Licht und betrachtete ihn von allen Seiten. »Das ist eine kleine Libelle«, murmelte er. »Sie hat die Flügel ausgebreitet. Ich frage mich nur, wie die da hineingekommen …?«
»He, da liegt ja noch einer!«, unterbrach Cristin ihn aufgeregt. Sie beugte sich hinunter und griff nach einem weiteren, etwas größeren kugelförmigen Stein derselben Farbe, der allerdings nicht durchsichtig war. Doch als beide die Köpfe zusammensteckten und ihn genauer besahen, konnten sie Dutzende winziger Luftbläschen darin ausmachen. »Was mag das sein, Baldo? Die Steine sind leicht wie Federn.«
Er zuckte die Achseln. »Steck sie ein. Vielleicht können wir sie noch gebrauchen.«
Cristin ließ die seltsamen Steine in ihren Beutel fallen.
Sie wollten weitergehen, als hinter ihnen eine Männerstimme erklang. »Dürfte ich mir Euren Fund auch einmal ansehen?«
Kaum einen Steinwurf entfernt stand ein Mann mittleren Alters in einem einfachen Rock und knielanger Hose, das schulterlange braune Haar hinter die Ohren geschoben und auf dem Kopf einen schmucklosen Filzhut. Cristin schaute Baldo Hilfe suchend an, der ihr zunickte. Seine Hand ruhte längst auf dem Griff des Messers, das er am Gürtel trug.
»Was wollt Ihr von uns?«
Der Fremde hob beschwichtigend die Hände. »Keine Angst, ich bin kein Räuber«, beeilte er sich zu versichern und fuhr an Cristin gewandt fort: »Ich würde mir Euren Fund gern einmal ansehen, wenn Ihr gestattet.«
»Die Steine?« Cristins Haltung drückte Abwehr aus. »Sie gehören mir!«
Der Mann machte Anstalten näher zu treten, doch Baldo hob die Hand und bedeutete ihm, stehen zu bleiben.
»Wieso wollt Ihr sie sehen? Sind sie wertvoll?«
Der Mann nickte. »Sie könnten wertvoll sein, aber um das besser einschätzen zu können, müsste ich einen Blick darauf werfen. Erlaubt mir, dass ich mich erst einmal vorstelle. Mein Name ist Bastian Landsberg, ein Deutscher wie Ihr, wenn auch aus dem Süden. Ich bin einer der vielen Bernsteinhändler hier in der Gegend und immer auf der Suche nach besonders schönen Stücken.«
»Und Ihr meint, wir hätten solche Bernsteine gefunden?«
»Wahrscheinlich. Ich selbst habe hier schon einige schöne Stücke entdeckt.«
Baldo schnippte mit den Fingern und gab so Lump zu verstehen, dass er sich ruhig zu verhalten hatte, während seine Gedanken wild durcheinanderwirbelten. Was, wenn Cristins hübsch anzusehende Fundstücke tatsächlich etwas wert waren? Sie könnten das Geld gut gebrauchen, ihre Reserven waren nahezu aufgebraucht. Vielleicht könnte er Cristin ein neues Gewand machen lassen. Er nickte ihr zu, woraufhin sie in den Beutel griff, die Steine
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