Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
die schönste aller Königinnen werfen, Schwesterherz?« In seinen Augen blitzte es.
»Oh ja, und mehr als dies.«
Drei Augenpaare waren auf sie gerichtet.
»Mach es nicht so spannend«, brummte Baldo. »Piet gibt sonst sowieso keine Ruhe.«
In kurzen Zügen berichtete Cristin, was sich zugetragen hatte. Die beiden lauschten gebannt, und selbst Janek hing an ihren Lippen.
Baldo legte den Kopf schief. Obwohl er versuchte, sich seine Erregung nicht anmerken zu lassen, verriet ihn seine heisere Stimme. »Wir sollen zu ihr kommen? Ist das dein Ernst?«
»Jadwiga? Krol Jadwiga?« Janek zerrte an ihrem Gewand, seine Augen weiteten sich.
»Ja, Janek. Sie möchte euch sehen.«
Als die kleine Gruppe sich gekämmt und gewaschen auf den Weg zum Refektorium machte, sprach niemand ein Wort. Lump hatten sie bei einer der Schwestern im Garten gelassen, und der Hund hatte sich sichtlich wohlgefühlt, als sie ihn allein ließen. Nun lag Janeks Hand vertrauensvoll in Christins. Für den Jungen musste es noch aufregender sein, von der Königin empfangen zu werden. Cristin warf Piet einen belustigten Blick zu. Er trug seine Narrenkleidung, die etwas zerknittert von der Reise war, und hatte sich geschminkt, wie damals in Lübeck bei den Gauklern. Abermals fiel ihr auf, wie sehr die Maskerade nicht nur sein Äußeres verwandelte, und auch jetzt wurde sie gewahr, wie sein Gang plötzlich schwebender wurde und sich seine Laune hob. Ob er sich dessen überhaupt bewusst war?
»Ich glaub, ich muss mich noch mal erleichtern«, stammelte Piet und wollte sich auf dem Absatz umdrehen.
»Dummes Zeug, du warst gerade auf dem Abtritt, Narr.« Baldo schnaubte. »Eine Königin lässt man nicht warten!«
Piet zog eine Grimasse. Cristin hakte sich mit dem freien Arm bei ihm unter und zog ihn mit sich, doch so selbstsicher, wie sie tat, war sie keineswegs. Auch ihr wurden die Knie ein wenig weich, während sie auf die Tür zum Speisesaal zusteuerten. Baldo bückte sich und wischte mit der Hand über die polierten Stiefel, während Piet den korrekten Sitz seines Kostüms überprüfte. Auf seiner weiß geschminkten Stirn glänzten Schweißperlen.
»Wie sehe ich aus, Schwester?«
»Wie ein aufgeregter Narr, Piet.« Sie lächelte. »Nein, gut siehst du aus, wirklich. Du wirst Eindruck machen auf die Königin.« Sie musterte Janek. »Wollen wir hinein, bist du so weit?«
Die Augen des Jungen leuchteten voller Vorfreude, als er nickte. Baldo stieß die Tür auf und trat ein. Cristin und Janek folgten ihm, Piet bildete die Nachhut.
Polens Königin saß auf einer der beiden langen Holzbänke inmitten von zwei Dutzend Männern und Frauen, jede von ihnen besser gekleidet als Cristin. Hofdamen nannte man sie, erinnerte sie sich, Frauen aus gutem Hause, manche sogar adelig, die der Königin auf ihren Reisen und bei Hofe Gesellschaft leisteten. Die Männer trugen halblange Kettenhemden über ihren Wämsern, an den breiten Gürteln hingen Schwerter. Cristin wandte sich ab, wieder hatte sie die grausigen Bilder vor Augen. Doch diese Männer bildeten die Leibwache der Königin, und sie begleiteten sie auf ihren Reisen. Auch Bruder Krzysztof war anwesend, und ein paar der Schwestern hielten sich im Hintergrund, bereit, den Gästen Erfrischungen anzubieten. Die Königin hatte das Festgewand gegen ein schlichtes Leinenkleid getauscht, die Haare zu einem dicken Zopf geflochten und nippte an einem Becher. Cristin war überrascht. Wenn sie es nicht besser wüsste, hätte sie nie vermutet, die polnische Königin vor sich zu haben, die ihnen nun zuwinkte.
»Da seid ihr ja, tretet näher.«
Als Piet auf die kleine Gesellschaft zuschritt, sah sie, wie Jadwigas Augen sich weiteten. Einige Frauen aus ihrem Gefolge steckten die Köpfe zusammen und raunten hinter vorgehaltener Hand.
»Gestattet mir, dass ich mich Euch vorstelle, Hoheit! Ich bin Victorius, Narr und Jongleur – ein Könner meiner Zunft.« Mit einer eleganten Handbewegung verbeugte er sich tief vor ihr, sodass die Schellen an seiner Mütze klimperten. Dabei geriet er ins Straucheln, ruderte mit den Armen und fiel mit gespielt entsetzter Miene vor ihre Füße.
Jadwiga lachte hell auf, und auf einmal wirkte sie wie ein junges Mädchen. Die Männer und Frauen, die sie umgaben, fielen in ihr Lachen ein. »Sei mir willkommen, Victorius. Setz dich zu mir.«
»Sofort, schönste aller Königinnen.« Piet drehte sich im Kreis und holte sechs Bälle aus seinem Gewand. Geschickt jonglierte er damit, und
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