Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
sein Publikum applaudierte. Zum Dank senkte er den Kopf, erst danach nahm er den ihm zugewiesenen Platz ein.
Leises Stimmengewirr hüllte Cristin ein, die sich vorkam wie in einem Traum. Ein junger Mann in einer farbenprächtigen Schecke und einer ebenso schönen Hose erhob sich, verbeugte sich formvollendet und bat Cristin, neben der Regentin Platz zu nehmen.
»Aber das geht nicht«, stammelte sie.
Doch Jadwiga nickte ihr aufmunternd zu und klopfte auf die Bank. Eine der Schwestern stellte wortlos einen Becher vor sie hin und rückte eine Obstschale näher, damit die Gäste sich bedienen konnten. Die Königin wies auf den Jungen, der sie unverhohlen anstarrte. »Dies ist sicher Janek, von dem du mir berichtetest, oder?«
Wieder einmal bewunderte Cristin, wie gut die Regentin ihre Sprache beherrschte. »Ja, Majestät.«
Die Königin lächelte Janek zu und begann eine Unterhaltung mit ihm. Auch wenn Cristin nichts verstehen konnte, bemerkte sie, wie der Junge nach und nach seine Scheu verlor. Baldo warf ihr einen fragenden Blick zu, den sie mit einem Schulterzucken erwiderte. Augenscheinlich hatte die Königin Vergnügen an der Unterhaltung. Scheu betrachtete Cristin Jadwigas feines Profil. Wir sind im selben Alter. Sicher hat sie schon einige Kinder daheim und weiß deshalb so gut mit ihnen umzugehen, dachte sie.
Die Königin sprach mit einer ihrer Dienerinnen, einer jungen Frau von höchstens siebzehn Lenzen. Diese erhob sich, flüsterte dem Jungen etwas ins Ohr und verließ mit ihm an der Hand den Raum. Was mochte die Königin der jungen Frau gesagt haben?
»Erzähl mir von ihm, Agnes«, riss Jadwiga sie aus den Gedanken. Cristin wandte sich der Königin zu, die sich nun vorbeugte.
»Ich möchte alles über Janek wissen.«
Cristin ließ ihren Blick über die Männer schweifen, die Jadwiga begleiteten. Soeben hatte Victorius einen seiner Witze zum Besten gegeben, und die Männer in den Kettenhemden lachten herzhaft. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Königin, wobei niemand auf sie achtete. »Das ist eine traurige Geschichte, Majestät. Seid Ihr sicher, dass Ihr sie hören wollt?«
Jadwiga legte ihr eine Hand auf den Arm. »Ja. Erzähl mir, was es mit dem Jungen auf sich hat.«
Zögernd berichtete Cristin von dem Überfall auf das Dorf, von den Toten und Verletzten und wie sie Janek gefunden hatten. »Er hockte wie ein verschrecktes Kaninchen in einem Käfig. Der Junge muss alles mit angesehen haben.«
Die Königin hörte stumm zu, und ihre Finger krallten sich in den Stoff ihres Gewandes.
»In der Kirche fand ich Janeks Mutter.« Cristins Stimme zitterte. »Sie wurde geschändet und schwer verletzt, Hoheit.«
»Wer hat das getan?« Die Königin war bleich, ihre Lippen blutleer.
»Deutschritter, Majestät. Meine Brüder und ich haben sie gesehen, nicht lange, bevor wir das Dorf erreichten.« Sie nahm all ihren Mut zusammen und sah der Königin ins Gesicht. »Sie haben die Leute regelrecht niedergemetzelt, Majestät. Alte Leute und junge Frauen mit Säuglingen auf den Armen! Manchen Männern haben sie einfach den Schädel gespalten. Die wenigen Überlebenden flüchteten in den Wald oder warteten darauf, dass der Herr sie zu sich nimmt.« Es drängte sie aufzustehen, da sich das jedoch nicht schickte, begnügte sie sich damit, tief Luft zu holen, bevor sie weitersprach. »Ich konnte der armen Frau immerhin noch sagen, dass ihr Sohn lebt. An der Schwelle zur Ewigkeit galten ihre letzten Gedanken ihrem Kind, und sie bat, ich möge mich um den Jungen kümmern. Ich habe es ihr versprochen.«
Täuschte sie sich, oder schimmerte es feucht in den Augen der Königin? »Du hast den Jungen sehr gern, nicht wahr, Agnes?«
Sie nickte nur.
»Wirst du ihn bei dir behalten?«
»Ich wünschte, ich könnte es«, stammelte Cristin, während sie mit den Händen ihr zuckendes Gesicht verbarg.
Baldo setzte sich neben sie.
»Schon gut, Adam«, beantwortete sie seine unausgesprochene Frage.
Auch Piet sah sie von der anderen Seite des Tisches an und gab ihr mit einem Wink zu verstehen, vorsichtig zu sein, um nicht zu viel zu verraten.
»Mit solchen Brüdern an der Seite solltest du dich glücklich schätzen«, meinte die Königin lächelnd, dann wurde ihre Miene ernst. »Sorge dich nicht, Agnes. Es wird sich alles finden.« Jadwiga seufzte. »Wie stickig es hier ist!« Ihr Blick suchte den Spitalmeister, der sich sofort erhob, um eines der Fenster zu öffnen. »Danke, Bruder Krzysztof«, sagte die Königin
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