Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
sie in eine etwas abseits des Spitals gelegene Kammer zu bringen, die eilends für sie hergerichtet worden war.
7
D ie Kammer hatte sich gefüllt. Mehrere Schwestern und Dienerinnen umringten das Bett, auf dem die Königin mit dunkel umrandeten Augen lag, während Krämpfe ihren Leib schüttelten.
»Kann ich Euch etwas bringen?«, fragte eine Dienerin.
Jadwiga stöhnte leise auf.
»Majestät, ich werde dafür sorgen, dass man Euch einen Kamillenaufguss bereitet«, meinte eine der Dienerinnen, die mit roten Wangen und offensichtlich hilflos mit kaltem Wasser getränkte Lappen auf Jadwigas Stirn legte. »Ich werde nach der Heilerin schicken lassen.«
Cristins Brauen schossen nach oben.
»Eine Heilerin?«, fragte Christin leise.
»Ja, sie heißt Donata und begleitet unsere Königin auf allen Reisen.«
»Dann sollte sie jetzt besser bei ihr sein«, gab sie kopfschüttelnd zur Antwort. Die Dienerin verließ den Raum.
Stark riechende Kräuterdämpfe kitzelten Cristin in der Nase, während sie den Puls der Kranken fühlte.
»Agnes?«
»Ja, Majestät?« Besorgt beugte sie sich über das schweißnasse Antlitz auf dem Lager.
»Schick sie alle weg. Bitte. Ich … ich kann es nicht mehr ertragen.« Jadwiga umklammerte Cristins Handgelenk.
»Aber das kann ich nicht, Hoheit. Außerdem wird die Heilerin gleich kommen. Ich bin nur eine …«
Sie sahen einander an, und die Königin schüttelte den Kopf. »Fort mit euch allen«, schrie die Leidende mit überraschender Kraft in der Stimme. »Geht! Nur Agnes soll bleiben!«
Cristin senkte die Lider.
»Aber Herrin«, wagte eine Dienerin zu widersprechen. »Donata kommt gleich und …«
»Die kann mir schon lange nicht mehr helfen. Nun alle hinaus, alle bis auf Agnes!«
Die Frau zuckte unter dem harschen Tonfall zusammen. Erst als die Tür sich hinter den Frauen geschlossen hatte, wagte Cristin aufzusehen.
Jadwiga atmete aus. »Endlich. Dieses … dieses Geplapper und die vielen Frauen um mich …«
Cristin musste ihr insgeheim recht geben. Sie nahm die Hand der Königin in ihre. Wieder fühlte sie das Kribbeln.
»Bei der Jungfrau Maria! Was war das?« Die Augen der Königin weiteten sich. »Was machst du da? Hast du Nadeln in den Händen?«
»Nein, keine Sorge.« Cristin suchte nach Worten. »Bleibt nur still liegen, damit ich Euch untersuchen kann.«
Die Herrscherin kämpfte mit den Tränen, aber sie schloss ihre Lider und rührte sich nicht.
Unschlüssig erhob Cristin sich. Noch einmal sah sie sich um, schlich zur Tür und lauschte. Niemand schien da zu sein. Mit klopfendem Herzen trat sie erneut an das Bett der Kranken. Einige tiefe Atemzüge, dann hob sie ihre Hände, spreizte die Finger wie ein Vogel sein Gefieder und ließ sie über Jadwigas Kopf kreisen. Sofort spürte sie, wie eine Verbindung entstand, die sie selbst kaum verstehen konnte. Wie ein Strom aus gleißendem Licht, der zwischen ihren Händen und Jadwigas Körper hin- und herfloss.
Die Königin seufzte auf, während Cristins Hände tiefer wanderten, suchten. In Höhe der Herzgegend angekommen, war es ihr, als würden sich dunkle Wolken über der Brust der Königin zusammenbrauen, die sich schwer und bedrückend über sie legten. Wolken aus Einsamkeit und Trauer. Sie stutzte. Was machte die Herrscherin derart unglücklich? Dann schüttelte sie den Kopf und fuhr in ihrer Arbeit fort. Als ihre Finger über dem Leib der Kranken innehielten, stöhnte diese auf, und nur einen Wimpernschlag später erreichte Cristin ein nagender Schmerz, der sich über ihre Finger weiter ausbreitete. Es fühlte sich an wie … wie ein eisiger Sturm, der auf ihre eigenen Eingeweide übergriff und jede Wärme, jede Kraft aus ihrem Körper pressen wollte.
Wie damals im Kindbett, als dieselbe Eiseskälte ihren geschwächten Leib erfüllt hatte und sie beinahe gestorben wäre. Etwas in ihr wollte sich krümmen, sich zurückziehen. Ich kann es nicht, schoss es ihr durch den Kopf. Sie trat einen Schritt zurück, da drang aus dem Mund der Königin ein Laut, der sie an den Ruf eines verletzten Tieres erinnerte. Schon war sie wieder an Jadwigas Seite. Zischend stieß diese die Luft aus, als könnte sie damit den Schmerz in ihrem Inneren hinaustreiben. Wieder hob Cristin die Hände, verharrte über dem Leib, wartete. Kleine Sonnen, stellte sie sich vor, waren ihre Finger. Sonnen, deren Strahlen auf Jadwigas Körper fielen, um sie zu wärmen. Wenn nur die Kälte in ihrem Inneren nicht wäre. Sie erzitterte. Der Körper unter
Weitere Kostenlose Bücher