Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
und sog tief die frische Luft ein. Auf ihrer Stirn glitzerten Schweißperlen, die Wangen waren gerötet.
Als sie nach einem Fächer griff, der in einem Beutel an ihrem Gürtel steckte, bemerkte Cristin das Zittern ihrer Hände. Nur einige gemurmelte Worte, und die Kammerfrau war an ihrer Seite.
Die Königin erhob sich. »Ich werde mich eine Weile zurück …« Sie brach ab und presste eine Hand auf den schlanken Leib, während das anmutige Gesicht jäh aschfahl wurde.
Alle Gespräche verstummten, und der Spitalmeister eilte mit fliegender Kutte herbei. Zu spät. Jadwiga sackte lautlos in sich zusammen. Bruder Krzysztof fing sie gerade noch rechtzeitig auf, um zu verhindern, dass die Regentin von der Bank rutschte und auf den Steinboden fiel.
Entsetzt starrte Cristin auf die reglose Gestalt. Der Mann mit der prächtigen Schecke trat näher, wedelte der Ohnmächtigen Luft zu und redete auf sie ein, doch die Königin rührte sich nicht. Die Mienen der Umstehenden spiegelten ihre Bestürzung wider, als die Kammerfrau vor ihrer Herrscherin niederkniete und ihr ein Fläschchen unter die Nase hielt. Die Königin war offenbar leidend und die Frau darauf vorbereitet, ihr helfen zu müssen. Eine kleine Ewigkeit sagte niemand ein Wort. Eigenartig, dachte Cristin, warum wird nicht nach einem Arzt gerufen oder nach einer der Schwestern, die sich mit Heilkunde auskennen? Ihr Blick flog zu Bruder Krzysztof. Stumm formten ihre Lippen die Worte: Holt Hilfe! Der Spitalmeister erwachte aus seiner Erstarrung, riss die Tür auf und verschwand. Die anderen traten immer noch von einem Fuß auf den anderen und flüsterten miteinander, ohne jedoch Anstalten zu machen, etwas zu unternehmen. Ein ungutes Gefühl beschlich Cristin, während sie das mit einem Male eingefallen wirkende Gesicht der Regentin eingehend betrachtete. Sah so eine Königin in der Blüte ihrer Jahre aus?
Endlich. Jadwigas Lider flatterten, und ein Aufatmen der Erleichterung wurde hörbar.
Cristin ging in die Hocke und ergriff die schlaffen Finger. »Könnt Ihr mich hören, Majestät?«
In diesem Moment ging ein Kribbeln durch ihre Hände. Sie erschrak und ließ Jadwigas Hand los, denn aus dem Kribbeln wurde ein Stechen wie von Tausenden Nadelstichen, das nun ihren gesamten Körper befiel. Gleichzeitig benebelte ein leichtes Schwindelgefühl ihre Sinne. Cristin blinzelte und wartete, bis ihre Sicht sich klärte und der Schreck nachließ. Sie ist krank. Etwas zerstört ihren Leib, schoss es ihr durch den Kopf.
»Majestät, hört Ihr mich?«, wiederholte sie ihre Frage, diesmal lauter.
Jadwiga schlug die Augen auf, doch sie waren ohne Glanz. »Agnes?«
Cristin nickte und griff erneut nach ihrer Hand. Im nächsten Moment verzerrte sich Jadwigas Gesicht, und sie schnappte nach Luft.
»Sie sagen, das passiere ihrer Herrin häufiger«, vernahm Cristin ihres Bruders Stimme an ihrem Ohr und blickte zu ihm auf.
Auch Baldo hatte sich zu ihnen gesellt. »Niemand weiß, was ihr fehlt.«zu
Bruder Krzysztof kam zurück und trat neben sie. »Lasst Schwester Maria nach ihr sehen.«
Cristin machte einer kräftigen Frau in dunkler Schwesterntracht Platz, die sich über die beugte und in polnischer Sprache auf sie einredete. Sie kann ihr nicht helfen, schoss es ihr durch den Kopf, während widerstreitende Gefühle sich in ihr abwechselten. Die Furcht, jemand vom Hofstaat oder gar die Königin selbst könnten etwas von ihren heilenden Händen erfahren, und der Drang helfen zu wollen, kämpften gegeneinander. Sollte sie wirklich tatenlos zusehen, wie Jadwiga litt, wenn sie die Möglichkeit hatte, ihr Linderung zu verschaffen? Cristin straffte die Schultern und ignorierte Baldos warnenden Händedruck.
»Piet, bitte erkläre Bruder Krzysztof, dass ich etwas von der Heilkunst verstehe. Die Schwestern sollen die Königin bequem lagern, damit ich nach ihr sehen kann.«
Sogleich hallte Piets Stimme durch den Raum, woraufhin sich zwei der Schwestern und ein Ritter von der kleinen Gruppe trennten und hinauseilten.
Obwohl das Kribbeln ihrer Hände beinahe unerträglich wurde, ließ sie die Finger der Königin nicht los. »Wo habt Ihr Schmerzen? Sagt es mir.«
»In meinem Leib brennt es wie Feuer. Ich … ich halte es kaum noch aus.« Die Kranke schloss gepeinigt die Lider und presste die Lippen aufeinander.
Da flog die Tür auf, und der Ritter und die beiden Schwestern kamen mit einer Trage zurück. Trotz ihrer Schmerzen gab die Königin keinen Laut von sich, als man sie hochhob, um
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