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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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Jadwiga!«, stieß er beinahe andächtig hervor.
    Cristin wandte den Kopf. Tatsächlich, die polnische Königin stand in der Tür, begleitet von einem groß gewachsenen Mann in brauner Kutte. Es war Bruder Krzysztof, der Spitalmeister, der sich ihnen im Refektorium nach der Mittagsmahlzeit vorgestellt und sich für ihre Hilfe bedankt hatte.
    Jadwiga reichte dem Spitalmeister ihren Umhang und trat an das erste Bett neben der Tür, in dem ein alter Mann mit einem Verband um den eingefallenen Leib lag. Bruder Krzysztof flüsterte ein paar Worte, und die Königin folgte seinen Ausführungen aufmerksam. Sie setzte sich zu dem Alten, drückte ihm die Hand, beugte sich über ihn und sprach tröstend auf ihn ein, woraufhin sein zahnloser Mund sich zu einem seligen Lächeln verzog. Dann schritt sie weiter und steuerte auf Pavels Bett zu. Während sich Cristin von ihrem Hocker erhob, um der Königin Platz zu machen, nahm sie den angenehmen Duft von Rosen, Minze und Melisse wahr, der Jadwiga umgab.
    Die Regentin ließ sich auf dem Hocker nieder und beugte sich vor. Sanft klang ihre Stimme, als sie zu dem Jungen sprach. Dann hob sie den Kopf, sah Cristin an, die sich an die Wand zurückgezogen hatte, und sagte etwas.
    Als Cristin das Wort Matka verstand, schüttelte sie den Kopf. »Nein, ich bin nicht Pavels Mutter …«
    Der Spitalmeister unterbrach sie und redete auf die Königin ein. Als er geendet hatte, streckte Jadwiga die Hand nach ihr aus.
    »Du bist Deutsche? Bruder Krzysztof erzählte mir gerade, dass du und deine Begleiter so freundlich wart, den Schwestern zur Hand zu gehen.«
    Cristin spürte Hitze in ihre Wangen steigen. Mit gesenkten Lidern ergriff sie zögernd die Hand, fiel auf die Knie und küsste den Ring der Königin.
    »Wie ist dein Name?«, fragte die Herrscherin in perfektem Deutsch.
    »Agnes heiße ich. Ich … ich bin mit meinen Brüdern Piet und Adam hier. Und mit dem kleinen Janek.«
    »Erhebe dich, Agnes mit dem guten Herzen.«
    »Nein«, hörte sie sich selbst sagen, »ich bin nur …« Eine zum Tode Verurteilte, die sich nicht einmal scheut, eine Königin zu belügen.
    Jadwiga zog sie hoch und hielt weiterhin ihre Hand fest. Cristin traute sich kaum, der Regentin ins Antlitz zu schauen.
    »Janek, sagtest du?« Jadwiga lächelte, doch das Lächeln erreichte nicht ihre Augen. »Wer ist Janek, und wo steckt er?«
    »Das ist eine längere Geschichte«, wich sie aus.
    Die Königin wiegte den Kopf. »Gut, wir werden noch darüber sprechen, Agnes«, sagte sie und strich sich eine hellbraune Strähne aus dem Gesicht.
    »Ich möchte euch für die Hilfsbereitschaft danken, die ihr diesem Spital zuteilwerden ließet.«
    Wie schön sie ist, dachte Cristin abermals und musste an sich halten, um Jadwiga nicht bewundernd anzustarren. »Wir haben zu danken, denn wir dürfen als Lohn einige Tage bleiben.«
    Die Königin musterte sie nachdenklich, dann wandte sie sich an den Spitalmeister. »Bruder Krzysztof, ich erwarte, dass Ihr die guten Leute so lange aufnehmt, wie sie es wünschen.«
    Der Spitalmeister neigte den Kopf.
    »Ich werde mich noch ein Weilchen hier bei den Kranken aufhalten. Agnes, komm mit deinen Begleitern nach dem Abendmahl ins Refektorium, damit ich mich auch bei ihnen bedanken kann.« Sie lächelte. »Wir wollen noch ein wenig plaudern, bevor ich abreise.«
    Cristins Handflächen wurden feucht. »Wie Ihr wünscht, Majestät. Es wird uns eine Ehre sein.«
    Sie sah Jadwiga nach, wie sie aus dem Krankenzimmer schritt, nicht ohne dem alten Mann und Pavel noch einmal zu winken. Als Bruder Krzysztof die Tür hinter sich zuzog, schloss Cristin die Augen und atmete tief ein. Ein Hauch von Jadwigas Duft, der noch im Raum hing, zeigte ihr, dass das soeben Erlebte nicht nur ein Traum gewesen war. Schwer ließ sie sich auf den Hocker sinken.
     
    Wo steckten die Männer nur? Mit ausholenden Schritten ging Cristin die Gänge des Spitals entlang. Erst im Garten wurde sie fündig, als Janeks helles Lachen ihr mitten ins Herz drang. Er lag auf dem Rasen und tollte mit Lump herum, während Baldo und Piet ihnen zusahen. Sie verstehen sich auch ohne Worte, dachte Cristin. Wehmütig erinnerte sie sich daran, dass Janek ein ordentliches Zuhause brauchte und es Zeit wurde, sich mit dem Gedanken an den nahenden Abschied zu befassen. Vielleicht konnten die Schwestern ihnen helfen. Sie nahm sich vor, mit Bruder Krzysztof darüber zu sprechen.
    »Da bist du ja«, rief Piet und winkte ihr zu. »Konntest du einen Blick auf

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