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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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ihren Händen wurde stiller, die Atemzüge der Königin wurden gleichmäßiger. Dann endlich ließ die Kälte allmählich nach. Während Cristin ausharrte, bis in ihr alles wieder friedlich und warm wurde, öffnete sie die Augen. Noch immer benommen, dauerte es eine Weile, bevor sie ihre Umgebung wahrnehmen konnte. Ihr Herz machte einen freudigen Satz, denn die Königin war eingeschlafen.

8
     
    A uf Jadwigas Bitte hin waren sie der Einladung auf ihr Schloss in Krakow, der Hauptstadt Polens im Süden des Landes, gefolgt.
    »Versteht es als Zeichen meiner Dankbarkeit für das, was Agnes für mich getan hat«, hatte die Königin gesagt. »Ihr allein verdanke ich es, dass es mir schon viel besser geht.«
    Mit Freuden hatten sie zugestimmt und sich am Folgetag den Rittern und Gefolgsleuten angeschlossen. Diese hatten ihnen höflich Jadwigas Kalesche zugewiesen, da die Königin auch den Rückweg zum Schloss hoch zu Ross zurücklegen wollte. Die gut gepolsterten Bänke waren etwas anderes gewesen als die Ochsenkarren oder Pferdewagen, die Cristin und ihre Begleiter kannten. Janek hatte sich während der Fahrt dicht neben ihr gehalten und war jedem Blickkontakt sowie den freundlichen, in Polnisch gesprochenen Worten der Ritter und Hofdamen nach Möglichkeit ausgewichen. Einzig Lump hatte ihn zeitweilig aus der Reserve locken können. Geistesabwesend hatte Janek das Tier gestreichelt, sobald es den Jungen mit der Schnauze anstupste.
    Von der Königin bekamen sie kaum etwas zu sehen, denn sie war stets von ihren Gefolgsmännern umringt. Piet reckte unermüdlich den Hals, um wenigstens einen kurzen Blick auf Jadwiga erhaschen zu können, wie Cristin schmunzelnd bemerkte. Bis auch er schließlich bedauernd aufgab und sich in den Polstern zurücklehnte. Im Laufe jeden Tages legten sie jeweils nur eine Rast ein, um sich mit dem großzügig bemessenen Reiseproviant zu stärken und die Pferde tränken und abreiben zu können. Die Nächte verbrachten sie zumeist in abgelegenen Klöstern oder Burgen, in denen immer Kammern für die Königin und ihre Bediensteten vorbereitet waren. Cristin hatte gestaunt, denn selbst die einfachsten Räume waren bequem eingerichtet und sauber, und Schüsseln mit frischem Wasser standen in jeder Kammer bereit. Zwei Nächte hatten sie in einem Gasthof verbracht. Die Art und Weise, wie Jadwiga dort willkommen geheißen worden war, zeigte deutlich, dass sie ein gern und oft gesehener Gast war. Trotz aller Annehmlichkeiten, die sie unterwegs genießen durften, war Cristin froh, als die beeindruckende Kulisse des königlichen Schlosses auf dem Hügel des Wawel endlich vor ihnen aufgetaucht war und ihre Reise nach gut zwölf Tagen ein Ende gefunden hatte.
     
    Nun erhob sich Cristin von ihrem Bett in einem der unzähligen Zimmer des Schlosses und streckte sich wohlig. So gut hatte sie schon lange nicht mehr geschlafen. Sie trat an das schmale Fenster des Raumes. Mit seinen leuchtenden Dächern und den hoch in den rötlichen Morgenhimmel aufragenden Kirchturmspitzen bot Krakow einen wunderschönen Anblick. Am vergangenen Abend hatte Baldo Cristin kurzerhand hinter sich auf eins der Pferde gehoben. Ihren Einwand, sie könnte nicht reiten, ignorierte er und forderte sie mit knappen Worten auf, sich an ihm festzuhalten. Mit geschlossenen Augen hatte sie die Arme um seine Taille geschlungen und sich ängstlich an ihn geklammert. Piet und Janek waren vor ihnen geritten, offenbar genossen sie die Reise zu Pferde. Direkt zu dem Hügel hinauf waren sie geritten, auf dem der Wawel, das von hohen Mauern umgebene königliche Schloss, erbaut war. Eine Dienerin Jadwigas hatte ihnen ihre Kammern gezeigt und eine gute Nacht gewünscht.
    Cristin ließ den Blick über die Stadt schweifen, die sich um den Hügel schmiegte. Sie schien aus zwei Teilen zu bestehen, die jeweils von einer hohen Stadtmauer umgeben waren. Dazwischen floss die Weichsel, ein breiter Fluss, der an mehreren Stellen von schmalen Holzbrücken und Stegen überspannt war, auf denen sich viele Menschen bewegten, die aus dieser Höhe klein wie Ameisen wirkten. Zur Linken konnte sie einen ausgedehnten Marktplatz zwischen mehrstöckigen Bürgerhäusern aus rotem Backstein ausmachen, und auch hier herrschte bereits reges Treiben. Sie kniff die Augen zusammen, erkannte Stände und Buden. Markttag.
    »Herrin?«
    Cristin fuhr herum. In der offenen Tür stand eine junge Frau mit einem runden Gesicht, das lange blonde Haar zu einem dicken Zopf geflochten. An dem

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