Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
Stoffgürtel, der ihre helle, knöchellange Tunika zusammenhielt, hingen ein kleiner Leinenbeutel, eine Schere und ein kurzes Messer. Cristin hatte ihr Klopfen gar nicht gehört.
»Entschuldigen, Herrin! Ich Euch habe erschreckt.«
Herrin. Wie lange war es her, seit sie so angesprochen worden war? Fremd klang dieses Wort in ihren Ohren. Sie schüttelte die Erinnerung an ihre Zeit als wohlhabende und geachtete Frau ab.
»Schon gut. Was möchtest du?«
»Meine Name Ewa.« Die Dienerin verbeugte sich. »Königin befohlen, ich Euch soll sein zu Diensten. Wenn Herrin hat gefrühstückt, ich bringen zu ihr.«
Jadwiga wollte sie sehen? Cristins Herz machte einen Sprung. »Geht es deiner Königin gut?«, fragte sie zögerlich.
Die junge Frau nickte. Während sie an das Bett trat und die dicken, mit Daunen gefüllten Kissen aufschüttelte, sagte sie: »Aber zuerst ich Euch führen zu Badestube, gut?«
»Ja, das ist gut, Ewa!«
Als die junge Dienerin die Tür aufstieß, betrat Cristin hinter ihr den Raum und erstarrte. In einem großen Waschzuber aus Eichenholz saßen zwei Männer, die sich nun mit einem breiten Grinsen im Gesicht zu ihr umwandten – Baldo und Piet. Lump hatte sich nahe dem Zuber zusammengerollt. Sie schluckte. Während Ewa die Tür hinter sich schloss und abwartend stehen blieb, wich Cristin an die Wand zurück.
»Komm herein, Schwesterchen!«, rief ihr Bruder gut gelaunt. »Das Wasser ist herrlich.«
»Ich soll zu euch Kerlen ins Wasser steigen?« Sie starrte von einem zum anderen.
Die Arme vor der Brust verschränkt, hob sie die Brauen und betrachtete die achtlos hingeworfene Kleidung der Männer. Das Blut stieg ihr in den Kopf.
»Natürlich. Oder bist du etwa wasserscheu?«
Baldo griff nach einem Schwamm und schleuderte ihn in ihre Richtung. Gerade rechtzeitig konnte sie dem klatschnassen Ding noch ausweichen, das sie rasch aufhob und zurückwarf, Piet mitten ins Gesicht.
Baldo lachte laut auf. »Der Wurf war nicht schlecht«, rief er. »Wenn du auch den Falschen getroffen hast.«
Piet schüttelte sich wie ein nasser Hund.
»Nun komm schon. Oder hast du noch nie gemeinsam mit Männern in einem Zuber gesessen?«
Sie schob trotzig die Unterlippe vor. »Nein, stell dir vor. Man weiß ja, was da so alles geschieht.«
Mit gesenkten Lidern spähte sie zu Baldo hinüber, dessen feuchte Haare sich auf der Stirn und im Nacken kringelten. Wassertropfen rannen von seinem Hals hinab auf die breite, unbehaarte Brust. Der Anblick löste eine ungeahnte Wärme in ihr aus, hastig sah sie zu Boden.
»Das stimmt. Aber von uns hast du nichts zu befürchten«, grinste Piet. »Wenn sich allerdings die schöne Jadwiga zu uns gesellen würde …«
Baldo prustete los, ohne sie aus den Augen zu lassen.
»Du bist unmöglich, Bruder! Wenn dich nun jemand hört! Du sprichst schließlich nicht von einer Kammerdienerin, sondern von der polnischen Königin!«
»Und was für eine Königin!« Träumerisch verdrehte er die Augen und leckte sich über die Lippen.
Cristin schüttelte den Kopf. »Sind eigentlich alle Narren so respektlos den Obrigkeiten gegenüber?«
Piet feixte. »Das war doch nur ein Spaß, Schwesterlein. Nun komm endlich ins Wasser, bevor es kalt wird.«
Warum eigentlich nicht? Sie war hier, um ein Bad zu nehmen und sich vom Staub der langen Reise zu befreien, und genau das würde sie jetzt tun. Allerdings zu ihren Bedingungen. Cristin drehte sich zu der Dienerin um, die noch immer auf Anweisungen wartete.
»Könnte ich wohl ein großes Tuch bekommen?«
Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, wie Piet scheinbar verzweifelt die Hände rang. Lump hingegen beobachtete sie mit schräg gelegtem Kopf.
Das junge Mädchen ging hinaus und kam kurz darauf mit einem frischen Tuch zurück.
»Kann ich helfen, Herrin?«
Die Dienerin hielt das Leinentuch so vor Cristin, dass sie sich vor den Blicken der beiden geschützt entkleiden konnte. Sie schlüpfte aus ihrem Gewand, wickelte das Tuch um den Leib und ließ sich bis zum Hals in das herrlich warme, nach Kräutern duftende Wasser gleiten. Kurz darauf schnappte die Tür leise hinter Ewa ins Schloss. Der überraschte Blick der Polin ob ihrer kurzen Haare war Cristin nicht entgangen. Wahrscheinlich dachte die Dienerin, dass sie unter besonders starkem Läusebefall litt und sie sich deshalb abgeschnitten hatte. Cristin legte die Arme über den breiten, glatt polierten Rand des Bottichs und schloss die Augen ob aus dem Wohlgefühl eines warmen Bades heraus oder
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