Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
Vom Netzwerk:
in einen ständigen Machtkampf mit seinem Vetter Vytautas eingebunden und hatte bereits Teile Litauens an ihn abgeben müssen. Jadwiga und er begegneten sich nur selten, außerdem schien das Herrscherpaar nicht viele Gemeinsamkeiten zu haben. Während ihr Mann um Macht und Ruhm rang, war es der tiefgläubigen Regentin ein Bedürfnis, sich um die Kranken und Ausgestoßenen ihres Volkes zu kümmern und ihnen Mut und Trost zuzusprechen. Dies tat sie mit einer Hingabe, die so manchen Medicus den Kopf schütteln ließ. Sie solle sich schonen, hieß es dann, doch die Königin wollte nichts davon wissen. »Diese Menschen brauchen mich«, widersprach sie den gut gemeinten Ratschlägen und fuhr mit ihrer Arbeit fort.
    Auch Cristin beobachtete mit Besorgnis, wie die Königin selbst jetzt, da sie kaum genesen war, sogleich wieder ihre Reisen durch Polen aufnahm, um Kranken- und Armenhäuser zu besuchen. Außerdem hatte sie vor, die Krakower Akademie auszubauen, denn die Entwicklung der einst in ganz Europa bekannten Forschungs- und Lehranstalt stockte schon seit Längerem.
    »Menschen brauchen Bildung, Cristin«, erklärte Jadwiga ihr bei einem ihrer Spaziergänge durch den Garten. »Nur gebildete Menschen können weise Entscheidungen treffen, deshalb möchte ich, dass Philosophen und Theologen, Mediziner und Astronomen zu uns kommen und am Collegium Maius lehren.«

10
     
    I mmer heftigere Stürme peitschten über das Land und versetzten die Baumwipfel rund um die königliche Burg in wilde Tänze. Schneidend kalter Wind drang durch die Fenster und Türen, als wolle er die Bewohner an seine Macht erinnern. Als auch noch Regen aufkam und die Weichsel über die Ufer trat, zogen sich die Ritter und Hofdamen trübselig in ihre Kammern zurück, während die Bediensteten jenen Aufgaben nachgingen, die über den Sommer liegengeblieben waren und die es zu erledigen galt, bevor der Frost einsetzte. Fleisch wurde getrocknet oder geräuchert, um es haltbar zu machen, Bier musste für die langen Winternächte gebraut werden, Knechte schleppten Holz und Torf für die Feuerstellen herbei. In der Küche duftete es nach Pasteten und Kräutern, und die Mägde hatten alle Hände voll zu tun, um Kleider zu flicken oder neue zu weben.
    Am vergangenen Abend hatte die Königin Cristin erzählte, dass Jagiello Günstlinge und Verbündete zu einer Jagd in den königlichen Wäldern eingeladen hatte, um die Speisekammern des Wawel mit Wildschwein- und Hirschfleisch zu füllen. Cristin, die nichts für die Jagd übrighatte, beobachtete mit unverhohlener Abscheu vom Fenster ihrer Kammer aus, wie etwa zwei Dutzend Männer – mit Sauspießen und langen Jagdmessern bewaffnet und umringt von einer Meute Hunde – vom Schlosshof ritten. Jagiello saß hoch erhobenen Hauptes auf seinem Schimmel und führte den Jagdtrupp an. Cristin wunderte sich längst nicht mehr über die Traurigkeit, die Jadwiga umgab. Wie einsam musste das Leben an der Seite eines Mannes sein, dessen Denkweise sich so sehr von der ihren unterschied? König und Königin, nur verbunden durch Allianzen und Strategien.
    Cristin schaute der Jagdgesellschaft hinterher, bis Reiter und Hunde um eine Kurve der steilen Straße bogen und nicht mehr zu sehen waren. Nur das aufgeregte Bellen der Bracken war noch zu hören, das der frische Wind zu ihr herauftrug. Sie schloss das Fenster und wandte sich um, als ein Brennen in ihrem Leib aufstieg. Im Jahr zuvor hatte sie beim Einsetzen der ersten Stürme in der Werkstatt der Goldspinnerei gearbeitet, während sie die leisen Bewegungen des Kindes in ihrem Leib gespürt hatte. Cristin fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Wenn ich in diesem Moment vor ihr stünde, würde sie dann wissen, wer ich bin? Würde sie die Ärmchen nach mir ausstrecken, um mich voller Freude zu begrüßen? Oder würde sie mich nicht beachten, weil ich eine Fremde für sie wäre?
    Die Tür öffnete sich, und Baldo trat mit Lump herein, der sich sogleich freudig winselnd zu ihren Füßen niederließ.
    »Hier steckst du also! Piet und Janek suchen dich auch schon. Wir wollten doch das neue Brettspiel …« Er legte den Kopf schief. »Stimmt etwas nicht?«
    Sie beugte sich hinunter und kraulte die Ohren des Hundes. »Nein, es ist nichts. Ich … ich fühle mich hier nur so unnütz. Wie leid ich es bin, mich den ganzen Tag bedienen zu lassen. Mir fehlt eine Aufgabe, damit …«
    Baldo trat näher. »Damit was?«
    »Schon gut. Ich komme gleich. Geh ruhig schon

Weitere Kostenlose Bücher