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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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hatten die beiden Lübeck schon wieder verlassen. Nicht lange darauf hatte er Marie kennengelernt, die zwar nicht sonderlich hübsch, aber fröhlich und arbeitsam war. Außerdem störte sie sich nicht daran, wer er war. Sie hatte ein wenig Licht in sein Leben gebracht und freute sich, wenn er freundlich zu ihr war.
    Als hätte die junge Frau es gehört, drehte sie sich zu ihm um, drückte sich enger an ihn heran und schlief weiter. Ihre scheue Zuneigung stimmte ihn milder, besänftigte seine Seele. Dieser junge Kerl aus der Gropengrove, der Bettler, dem er neulich eine Münze zugesteckt hatte, vielleicht sollte er den Kerl noch einmal aufsuchen … Er gäbe sicher einen guten Gehilfen ab. Einen, der sein Erbe eines Tages übernehmen könnte. Überrascht, weil er sich auf einmal leichter fühlte, schloss er die Augen.
     
    Wladislaw II. Jagiello, König von Polen, und seine Gemahlin Jadwiga hielten eine Audienz, weshalb es im Thronsaal des Wawel von Menschen jedes Standes wimmelte. Festlich gekleidete Fürsten und Grafen aus nah und fern waren ebenso erschienen wie einfache Bauern und Bürger, und nun wartete alles gespannt auf die Ankunft des Herrscherpaares. Cristin verfolgte mit großen Augen das Treiben, und ihr Gefühl, hier fremd zu sein, wurde noch durch die unterschiedlichen Sprachen und Dialekte verstärkt, die an ihre Ohren drangen. Der Saal, in dem Baldo und sie standen, war der größte Raum, den sie jemals gesehen hatten, und mochte einige Hundert Menschen fassen. So viele hatten sich wohl auch versammelt, um ihre Königin und den König zu sehen.
    Cristin hielt nach Piet und Janek Ausschau, konnte sie aber nirgends entdecken. Der Junge würde sich die Gelegenheit, die Königin zu sehen, bestimmt nicht entgehen lassen. Sie lächelte. Aus Janeks Miene war der Schock über die Erlebnisse in seinem Heimatdorf allmählich gewichen, und sie hörte ihn beim Spielen immer häufiger hell auflachen, ein Geräusch, das ihr das Herz erwärmte. Jeder am Hof hatte ihn lieb gewonnen, obwohl er nach wie vor wenig sprach, denn der Junge war aufgeweckt und lernte schnell. Besonders angetan hatten es ihm die Pferde der Königin. Wann immer er sich davonstehlen konnte, fand man ihn bei den Stallungen, wo er mit roten Wangen und leuchtenden Augen den Stallburschen bei der Arbeit zusah. Lump gesellte sich oft zu ihm und machte sich einen Spaß daraus, die Katzen rund um den Besitz zu jagen, während Janek sich Mühe gab, niemandem im Wege zu stehen, und sich stets abseits hielt. Als Cristin ihn eines Tages dort besucht hatte, fand sie ihn bei einem der gutmütigen Arbeitstiere. Er hatte dem Schmied geholfen, die Vorderhufe des Pferdes zu halten, obwohl der Huf des robusten Tieres dicker war als sein Oberschenkel. Cristin staunte, mit wie viel Geschick der Junge dem Mann zur Hand gegangen war. Offenbar hatte Janek etwas gefunden, was ihn glücklich machte.
    Cristin rückte näher an Baldo heran, der neben sie getreten war und unruhig von einem Fuß auf den andern wechselte. Er wich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Verwirrt sah sie zu ihm auf, doch er hielt seinen Blick starr geradeaus gerichtet, und so zuckte sie mit den Schultern und reckte den Hals. Direkt vor ihr stand eine Matrone mit hochgetürmten grellblonden Haaren, über die sie einen Schleier gelegt hatte. Offensichtlich hatte die Frau ihr Haar mit Kamillentee und Apfelessig hell gefärbt und dabei etwas zu viel des Guten erwischt. Der Stoff ihres samtenen Gewandes raschelte bei jeder Bewegung, und sie verbreitete einen süßlichen Duft, der Cristin zum Niesen reizte. Ein Mann an ihrer Seite mit einem teuren Stoffhut auf dem sonst kahlen Kopf und einem Leibrock, der sich bedrohlich um den gewaltigen Bauch spannte, gestikulierte wild mit einigen umstehenden Männern. Nervös wischte er sich dabei immer wieder über die feuchte Stirn. Cristin verstand nicht, was gesprochen wurde, doch die Hitzigkeit des Gesprächs ließ auf Schwierigkeiten schließen.
    Inzwischen war es dunkel geworden, und man hatte zahllose Fackeln an den mit großformatigen Gobelins geschmückten Wänden entzündet. Das flackernde Licht ließ die detailgetreuen Jagdszenen – Reiter, die Hirschen und Bären nachjagten – fast lebendig erscheinen. Cristin schaute sich um. Der Schein der Fackeln tauchte die Gesichter der Anwesenden in warmes Licht, allerdings konnte es nicht über die angespannte Atmosphäre hinwegtäuschen, die Cristin deutlich wahrnahm. Sie griff nach Baldos

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