Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
verspreche ich dir, Agnes. Aber versprich auch du mir etwas: Wirst du über meine Worte nachdenken?«
»Ja, Hoheit. Ich werde später noch nach Euch sehen, wenn Ihr es wünscht«, beeilte sich Cristin zu versichern, während sie in einen tiefen Hofknicks sank.
»Was ich von Zauberei halte?«, fragte Piet mit verständnisloser Miene. »Was meinst du damit?«
Cristin blickte aus dem Fenster ihrer Kammer und beobachtete, wie Baldo, Lump und Janek durch die Gärten der Königin spazierten.
»Was ist mit diesen unerklärlichen Kräften, wenn man die Hände über einem Kranken wandern lässt und seine Gebrechen erspürt? Wenn einen das Gefühl beschleicht, in den Körper des Kranken hineinsehen zu können, und bereits die Wärme der Hände ausreicht, um ihm Linderung zu verschaffen?« Sie wandte sich zu ihm um und hob die Schultern. »Ist das Teufelswerk, Piet?«
»Langsam, Schwesterherz.« Er trat neben sie. »Wie kann das des Teufels sein? Ich verstehe kein Wort.«
Mit stockender Stimme berichtete sie ihm von den ersten Erlebnissen in der Kindheit, bis hin zu ihrem verzweifelten und sinnlosen Versuch, Lukas zu retten. »Damals habe ich mir geschworen, diese Gabe nie wieder zu gebrauchen, Piet, denn ich habe versagt. Ich musste zusehen, wie mein Gemahl starb, ohne ihm helfen zu können.« Sie schnappte nach Luft, um den Schmerz der Erinnerungen zu verdrängen. »Danach glaubte ich, Gott hätte mir die Gnade erwiesen und diese Last von mir genommen. Denn das war diese Gabe für mich – eine Last, die immer schwerer wurde. Aber dann kamen wir nach Polen, zu Jadwiga, und …« Sie brach ab.
»… und was?« Ihr Bruder legte einen Arm um sie.
»Ich war soeben bei ihr. Die Königin möchte, dass ich ihre Heilerin werde. Die Kraft in meinen Händen hätte ihr mehr geholfen als jede Medizin und die besten Ärzte des Landes, sagt sie.«
»Aber das ist doch wunderbar, Schwester.«
»Ich weiß es nicht.« Cristin fuhr sich über das Gesicht. »Was, wenn diese Gabe nicht vom Herrn ist? Was, wenn ich eine Hexe bin und es der Leibhaftige ist, der meine Hände führt? Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
Piet schüttelte den Kopf. »Wie kommst du nur auf so etwas?« In seinen Augen blitzte der Schalk. »Wenn du eine Hexe bist, dann bin ich ein Muselman!«
Sie knuffte ihn in die Seite.
Er wurde ernst.
»Hör zu, Cristin. Die Zeiten sind rau für jeden, der mit ungewöhnlichen Mitteln in der Lage ist, anderen zu helfen. All jene müssen auf der Hut sein und ihre Fähigkeiten verbergen, deshalb verstehe ich deine Angst. Aber was glaubst du, wie vielen Menschen es ähnlich ergeht? Sind sie etwa alle Hexen oder Scharlatane? Glaubst du das wirklich?«
»Ach, Piet, ich weiß nicht, was ich glauben soll.« Sie machte sich von ihm los und schielte zur Tür. Jeden Moment konnte Ewa, die sie mit einer Ausrede weggeschickt hatte, die Kammer wieder betreten.
»Was dich quält, ist in Wahrheit nichts als Eitelkeit.«
Wie vom Donner gerührt blieb sie stehen. »Eitelkeit? Was soll das bedeuten?«
»Setz dich.« Er drückte sie in einen bequemen Lehnstuhl und bedachte sie mit einem gutmütigen Grinsen. »Du denkst also, die mysteriöse Kraft in deinen Händen kommt vom Teufel oder aus dir selbst heraus, ja? Du glaubst, es liegt in deiner Macht, ob jemand geheilt wird oder nicht, habe ich recht?«
Verwirrung machte sich in Cristin breit. Sie grübelte und nickte zögernd. »Ja, so ähnlich. Und ich habe Angst, bei Jadwiga zu versagen.«
Piet baute sich vor ihr auf. »Genauso habe ich mir das gedacht.« Er seufzte theatralisch. »Nein, Cristin, nicht du bestimmst, wem geholfen werden kann und wem nicht. Begreifst du denn nicht? Du bist nur ein Werkzeug des Herrn.«
»Denkst du, das weiß ich nicht?«, antwortete sie ungehalten.
»Dann lerne, demütig zu sein.«
»Demütig, pah!« Sie verzog das Gesicht. »Du hättest Priester werden sollen, Bruder, und nicht Narr.«
Piet lächelte. Ohne auf ihren Scherz einzugehen, fuhr er fort: »Gesundheit oder Krankheit eines Menschen liegen nicht in deiner Hand. Das hat unsere Mutter mir einmal gesagt. Wie recht sie hatte! Du kannst nur versuchen zu helfen, alles andere bestimmst nicht du. Wenn die schönste aller Königinnen beschlossen hat, dass du ihre Heilerin sein sollst, dann sei es, verdammt!«
Sie warf ihm einen strafenden Blick zu. »Deshalb brauchst du nicht zu fluchen, Bruder!«
Er winkte ab. »Vertraue Gott und vertraue dir selbst! Hör endlich auf, dich mit unsinnigen
Weitere Kostenlose Bücher