Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
lassen.
Die Dienerin trat vom Webstuhl und ging hinaus. Mit einem Male wusste Cristin nicht, wohin mit ihren Händen, also verschränkte sie diese hinter dem Rücken.
»Du hast dir Sorgen gemacht?« Baldos Worte klangen eher wie eine Feststellung.
»Ja«, platzte es aus ihr heraus, »stell dir vor!«
Sein Lächeln wurde zu einem unverschämten Grinsen. »Wo drückt dich denn der Schuh?«
»Seit Tagen kommst und gehst du, wie es dir beliebt. Aber warum solltest du mir auch sagen, was du treibst?«
Die belustigte Miene wurde ernst, und er ging auf sie zu. Äußerlich wirkte er ruhig, doch die aufeinandergepressten Lippen zeigten ihr, wie es um ihn stand. »So ist es, Cristin. Ich komme und gehe, wie ich will. Das stört dich?« Er umfasste ihre Schultern. »Sei’s drum. Nie… niemals, seit wir uns kennen, habe ich etwas gehabt, was ich für mich beanspruche. Immer hat sich alles um dich gedreht. Damit ist nun Schluss!«
Der Druck seiner Hände war fest, ebenso wie seine Stimme. Forschend betrachtete sie ihn, doch er hatte sich längst vor ihr verschlossen.
»Was willst du damit sagen, Baldo? Ich … ich verstehe kein Wort.«
»Was ich sagen will? Dass ich weiterhin über meinen Tag bestimmen werde, wie es mir beliebt. Und niemand anders, auch du nicht!« Er ging zum Fenster und blickte hinaus. »Hier gibt es nichts für mich zu tun.«
Seine Worte waren wie Dolchstiche. Cristin rang nach Luft, um den Schmerz in ihrem Inneren zu betäuben, und trat nach kurzem Zögern neben ihn. »Habe ich dir je Vorschriften gemacht?«
Er zog sie näher an sich heran und lachte, doch es klang heiser. »Oh nein, liebste Cristin, im Gegenteil! Du hast hier ja auch eine Aufgabe. Und ach so viele Sorgen. Da ist es natürlich zu viel verlangt, wenn du dann und wann meiner gedenkst!«
Sie wollte sich aus seinem Griff befreien, aber er war stärker. »Du tust mir weh.« In ihren Augen brannten Tränen.
Mit einem Ruck ließ er sie los, und Cristin rieb sich die schmerzenden Oberarme. Was war nur in ihn gefahren? »Bitte, so war das nicht gemeint, Baldo. Ich weiß nur nicht, wieso …« Sie brach ab und suchte nach Worten. »Ich weiß nicht, warum du mir aus dem Weg gehst. Wieso sprichst du nicht mit mir?« Um ihn nicht weiter ansehen zu müssen, wandte sie sich dem Fenster zu und blickte hinaus. »Gibt es ein hübsches Weib, das auf dich wartet?« Jetzt war es heraus.
Hinter sich hörte sie ihn schnauben. »Du verstehst tatsächlich nichts.«
Die Tür schlug geräuschvoll zu, und Cristin lauschte Baldos langen Schritten, bis sie in einem der Flure verhallten. Schwer ließ sie sich aufs Bett fallen und vergrub das Gesicht in den Kissen. Was hatte er nur damit gemeint, für ihn gebe es hier auf dem Wawel nichts zu tun? Wusste er überhaupt, wie sehr sein harscher Ton sie verletzte? Wieder einmal beschuldigte er sie, selbstsüchtig zu sein. Er konnte ja nicht ahnen, wie oft sie in Gedanken bei ihm war, wie sehr sie sich nach seiner Umarmung sehnte. Wehmütig erinnerte sie sich an die Zeit, als sie noch in Eintracht miteinander gelebt hatten. Was war geschehen? Wann hatte sich das Blatt gewendet? Ganz schwach meinte sie, noch immer seinen typischen Duft im Raum wahrnehmen zu können, doch das Einzige, was an seinen kurzen Besuch erinnerte, war die kleine Lache geschmolzenen Schnees an der Tür. Du hartherziger Klotz! Nie wieder wollte ich so tief für einen Mann empfinden, niemals mehr mich einem Menschen so ausliefern. Aber dir, Baldo Schimpf, ist es gelungen, verdammt.
Ewa trat leise ein, als Cristin jedoch nicht reagierte, schloss sie die Tür wieder hinter sich und ging hinaus.
Sollte er ruhig! Wir waren wohl nur Weggefährten auf Zeit, sinnierte sie. Für seine Kameradschaft sollte sie dankbar sein, denn nie zuvor hatte jemand so viel für sie riskiert. Wenn eines Tages ihr guter Leumund wiederhergestellt war, sie Elisabeth bei sich hatte und Lukas’ Mörder gestellt war, konnte sie die Sehnsucht nach Baldo gewiss überwinden. Cristin ging zum Bett, schlüpfte aus ihrem Gewand und zog die Decke über sich.
14
I hr habt nach mir schicken lassen, Hoheit?« Cristin sank in einen Hofknicks.
»Ja. Wir gehen spazieren.« Jadwiga gab der Kammerfrau einen Wink, die ihr sogleich einen Umhang reichte. »Leg ihn dir um. Es ist frostig heute.«
Cristin tat wir ihr geheißen.
»Ich wünsche, mit meiner Heilerin allein zu sein!«
Verblüfft beobachtete Cristin, wie die Herrscherin die Frau aus der Kammer wies, und folgte ihr
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