Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
Vom Netzwerk:
herum und griff gleichzeitig mit der Hand an den Gürtel, an dem ein Beutel mit einem kleinen, ausklappbaren Messer darin hing. Als er erkannte, dass ein halbwüchsiger Junge vor ihm stand, ließ er die Hand wieder sinken.
    »Bist du Emmerik Schimpf, der Scharfrichter?«
    »Wer will das wissen?«
    »Ich bin Niclas, Medicus Küppers’ Sohn. Mein Vater schickt mich her. Du sollst zu uns kommen und unseren Hund abholen!«
    »Euren Hund, so.« Emmerik schürzte die Lippen. »Woran ist der Köter denn gestorben?«
    »Gestorben? Gar nicht.« Der Junge schüttelte den Kopf. »Aber mein Vater will, dass du ihn totschlägst und auf dem Schindacker verscharrst. Er bellt immer nur. Gestern hat er meinen Vater sogar in die Hand gebissen! Da hat er gesagt, jetzt reicht es, der Henker soll kommen und das Vieh totschlagen!« Er stockte und schlug die Augen nieder.
    Emmerik streckte sich. »Wo wohnt ihr?«
    »An der Sandstrate. Gleich das erste Haus hinterm Dom.«
    »Gut, dann sag deinem Vater, dass ich morgen meinen Jungen vorbeischicke. Er wird den Köter abholen.«

11
     
    D ie Sonne stand schon tief über den Dächern der Stadt, als Baldo sich am folgenden Tag auf den Weg zur Sandstrate machte, wo der Pferdemarkt stattfand. Dort bauten die Rosshändler bereits ihre Pferche ab, einer führte gerade mehrere Pferde über den ungepflasterten Platz. Baldo kreuzte ihren Weg und wich einem Haufen dampfender Pferdeäpfel aus. Angewidert verzog er das Gesicht, allerdings nicht wegen des Pferdemists, in den er fast getreten wäre. Mit ansehen zu müssen, wie sein Vater kranke oder alte Hunde erschlug, löste jedes Mal Widerwillen in ihm aus. Räuber oder Mörder hinzurichten, war eine Sache. Daran hatte er sich gewöhnt. Doch wehrlose Kreaturen umzubringen, ging ihm an die Nieren. Tollwütige Hunde zu töten, mochte für die Tiere Erlösung bedeuten, trotzdem verspürte er jedes Mal einen Kloß im Hals.
    Vor dem Haus des Medicus angekommen, blieb er zögernd stehen, trat an ein kleines Fenster und spähte in die Dornse hinein. Da niemand zu sehen war, ergriff er den Holzknauf und schlug gegen die Tür. Das großzügig geschnittene Haus deutete auf Wohlstand und Ansehen hin, auf Leute der feinen Gesellschaft. Nachdem auch nach dem zweiten Klopfen niemand erschien, kratzte Baldo sich nachdenklich am Kinn. Wahrscheinlich war der Medicus noch in seiner Praxis. In diesem Moment wurde die Tür geöffnet, und ein halbwüchsiger Junge stand vor ihm. »Gott zum Gruße.«
    »’n Abend«, brummte Baldo. »Ich soll den Hund abholen.«
    Ein Schatten glitt über das Gesicht des Jungen, der wortlos aus der Tür trat und auf einen niedrigen Schuppen zusteuerte. Wenige Momente später kam er zurück, einen schwarzen Hund mit hellen Flecken am Kopf hinter sich herziehend. Das Tier jaulte. Baldo ging in die Hocke und betrachtete es von allen Seiten, während zwei glänzende Knopfaugen ihn aufmerksam musterten. Der Hund war noch nicht ausgewachsen, wie Baldo an den Pfoten erkennen konnte. Er stand auf.
    »Ich nehme ihn dann mal mit«, murmelte er. »Tollwütig sieht er allerdings nicht aus.«
    »Der Hund hat immer ins Haus gemacht und nachts gewinselt.« Der Junge sah zu Boden. »Er muss weg.«
    »Gib ihn schon her«, erwiderte Baldo und trat näher. Der junge Hovawart zog den Schwanz ein und stieß ein Winseln aus, während sein Blick unruhig hin und her wanderte. »Ganz ruhig.« Baldo bückte sich. Schnell holte er aus der Tasche seines Wamses eine einfache Schnur hervor, legte sie dem Tier um den Hals und band einen Knoten. Er zog den Hund vom Eingang fort. Ängstlich und unterernährt war das Tier ganz augenscheinlich auch. »Sag deinem Vater, dass ich ihn abgeholt habe.« Baldo wendete sich zum Gehen, und die Tür fiel hinter ihm ins Schloss. Bei richtiger Pflege und guter Erziehung wäre er bestimmt ein guter Hofhund geworden, dachte er und wollte das widerstrebende Tier hinter sich herziehen. Doch der Hovawart blieb stehen und rührte sich nicht vom Fleck. »Nun komm schon«, stieß Baldo zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Der Hund legte nur den Kopf schief und fixierte ihn.
     
    Leise Stimmen erregten Baldos Aufmerksamkeit. Also war der Medicus tatsächlich noch in seiner Praxis. Als sich der Hund nach wie vor weigerte, ihm zu folgen, seufzte der junge Mann ergeben, bückte sich und nahm ihn auf den Arm. Die Stimmen schienen aus dem rückwärtigen Teil des Hauses zu kommen, deshalb schlug er den Weg durch den schmalen Gang ein, der sich

Weitere Kostenlose Bücher