Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
Männer lachten und schlugen einander auf die Schultern.
»Nein, das nicht, Kapitän.« Der Mann kratzte sich am Kopf. »Aber Weiber – zwei Stück!« Er verzog die Lippen zu einem dümmlichen Grinsen.
Krämer ging einen Schritt auf ihn zu und zerrte den Erregten am Hemdkragen an Deck.
»Was redest du da für einen Unfug! Frauen an Bord? Bist du verrückt? Wie sollten die hierher gekommen sein?«
»Vielleicht wie die da?« Er wies mit ausgestrecktem Arm auf Cristin.
Die schüttelte den Kopf. »Nein, ich war die einzige Frau auf Kapitän Gottfrieds Schiff.«
»Ist das wahr?«, wollte von Krämer wissen.
Gottfried nickte düster.
»Verdammt, dann will ich wissen, wer die beiden Weiber an Bord gebracht hat!« Seine Männer traten vor, doch ihr Anführer schob sie grob beiseite und trat an die Luke, um in den Laderaum hinunterzuklettern.
»Wir haben da unten keine Frauen gesehen, Liebes«, flüsterte Baldo ihr zu.
Kurze Zeit später erschien Arnd von Krämer wieder an Deck, gefolgt von zwei an den Händen gefesselten jungen Frauen, die ins Sonnenlicht blinzelten und sich mit gesenkten Lidern dicht aneinanderdrückten.
Der Anführer der Piraten trat an seine Mannschaft heran, die sofort zurückwich, und seine Stimme wurde kalt wie Eis, als er einen nach dem anderen ansah. »Wer hat die beiden Weiber aufs Schiff gebracht?«
Niemand rührte sich.
Krämers Augen wurden schmal, und er wandte sich den beiden immer noch verschüchtert dastehenden Frauen zu. »Zeigt mir den Mann oder die Männer, die euch auf das Schiff gebracht haben!«
Eine der beiden, eine hellblonde Frau in Cristins Alter, hob die Lider, ließ langsam und prüfend ihren Blick über die Mannschaft schweifen und verharrte an einer Person. Mit einem leichten Nicken deutete sie auf einen der Männer, der sich im Hintergrund gehalten hatte.
Arnd von Krämer packte den Verdächtigen bei seiner Jacke und riss ihn zu sich heran, einen Kerl mit kleinen, dunklen Augen und einer spitzen Nase. »Hans Willberg! Was soll das bedeuten? Was sollen die Weiber auf unserem Schiff?«
Dem Angesprochenen wich jeder Blutstropfen aus dem Gesicht, seine Lippen bebten.
»Ich wollte … die Weiber …«
Es wurde so still, dass Cristin die hastigen Atemzüge des Verdächtigen hören konnte.
»Was hattest du mit ihnen vor? Ein kleines Geschäft machen, hinter dem Rücken deines Kapitäns, wie?« Krämer hob die Hand und versetzte dem Mann zwei kräftige Ohrfeigen.
Willberg stöhnte auf. Ehe er es sich versah, legte sich Krämers Hand um seinen narbigen Hals und drückte zu. »Kapitän, bitte …« Seine Stimme war kaum mehr als ein heiseres Röcheln. »Du wirst mir jetzt sagen, für wen die beiden Weiber bestimmt waren, sonst lasse ich dich augenblicklich ins Wasser werfen, du verdammtes Schwein!«
Der Mann zappelte wie ein Fisch am Haken.
Cristin beugte sich vor, um ihn besser verstehen zu können.
»Die Männer leben in Lübeck«, keuchte der Mann. »Sie heißen Bremer und Lüttke.«
Lüttke. Bremer. Cristin erstarrte zur Salzsäule. Ihre Finger suchten Halt, krallten sich in Baldos Mantel, während die Erkenntnis Schmerzwellen durch ihren Körper jagte. Es stimmte also – der Salzhändler und ihr Schwager machten gemeinsame Sache, betrieben Mädchenhandel. Sie hatte es nie glauben wollen, hatte sich stets dagegen gesträubt, Gedanken in dieser Richtung zuzulassen. Er ist ein Verbrecher, ein jämmerlicher, durchtriebener Verbrecher. Ein Mann, der unschuldige Frauen verschleppt und sie einem ungewissen Schicksal überlässt. Cristin hielt die Nase in den Wind, während sie Baldos und Lumps Augen auf sich gerichtet fühlte. Die Seekrankheit machte ihr schwer zu schaffen, und das Entsetzen über Lynhards Machenschaften verstärkte noch die Übelkeit. Baldo legte den Arm um sie. Wie oft hatte sie sich gefragt, ob Lynhard und Hilmar Lüttke wirklich miteinander zu tun hatten. Nun wurde ihr Verdacht bestätigt.
»Was sollte mit den Frauen geschehen? Sprich!«, wollte Krämer betont ruhig wissen. Er ließ Willberg los, dessen Gesichtsfarbe nach und nach zurückkehrte.
Cristin wandte sich angewidert von dem Rattengesicht ab.
»Die Weiber landen in irgendwelchen Hurenhäusern in Lübeck, Hamburg oder Wismar, soweit ich gehört habe. Viel mehr weiß ich auch nicht.«
»Lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Sonst werfe ich dich den Fischen zum Fraß vor! Wo sollte die Übergabe stattfinden?« Arnd von Krämers Stimme war schneidend. Willberg sah zu Boden.
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