Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
nicht, was mit ihm los ist. Adam schickt mich weg, sobald ich ihn versorgt habe.«
»Das ist merkwürdig.« Er kratzte sich am Kinn und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Aber das sind eure Angelegenheiten, die gehen mich nichts an, Agnes. Seht zu, wie ihr das bereinigt. Mimosen kann ich in meinem Haus nicht brauchen.« Mit diesen Worten schickte er sie hinaus.
Vor der Tür blieb sie unschlüssig stehen. Was nun? Sie spähte zur Kammertür hinüber. Einen Moment lang kämpften Stolz, Trotz und Vernunft gegeneinander, dann ging sie entschlossen auf die Tür zu und drückte die abgegriffene Eisenklinke hinunter.
Baldo stand mit auf dem Rücken gekreuzten Armen vor dem trüben Fenster. »Was willst du?«
Am Himmel brauten sich dunkle Sturmwolken zusammen, unter denen ein paar Möwen, hellen Blitzen gleich, dahinschossen. Fast meinte Cristin, durch die gefärbten Fensterscheiben ihr heiseres Schreien hören zu können.
»Ich möchte mit dir reden, Adam«, begann sie.
»Muss das sein?«
»Es ist wichtig.«
Er wandte sich um. »Also – was willst du von mir?«
»Halte Ludewig in Zukunft aus unseren Streitigkeiten heraus, Bruder!« Cristin setzte sich auf ihre Schlafstatt. »Du und ich, wir müssen uns nicht verstehen. Aber Ludewig, der braucht nichts davon mitzubekommen. Er sagte mir gerade, unser Verhalten ärgert ihn.«
Baldo sah sie regungslos an.
»Verstehst du denn nicht?« Ihre Stimme wurde schneidend. »Wir sind nur deshalb hier, weil er uns mitgenommen hat. Du würdest nicht mehr leben, wenn er sich nicht um dich gekümmert hätte!« Und ich auch nicht, hättest du mich nicht gerettet, du Dummkopf, fügte sie in Gedanken hinzu.
»Meinst du, das weiß ich nicht?«
Mit einem Mal wirkte er um Jahre älter. Diese Bitterkeit und die Augen, in denen sich hinter der offensichtlichen Kühle Leidenschaft zu verbergen schien.
»Er hat recht«, räumte Baldo nach kurzem Zögern ein. »Ich will nachdenken, lass mich jetzt bitte allein.«
Am liebsten hätte sie ihm über die Haare gestrichen. Stattdessen nickte sie nur, drehte sich auf dem Absatz um und verließ die Kammer. Um sich ein wenig abzulenken, ging sie in die Küche und bereitete das Abendessen vor. Das Zeug, das Ludewig ihnen die letzten Tage aufgetischt hatte, war ungenießbar gewesen. Als etwas mit lautem Krachen gegen die Scheiben schlug, trat sie ans Fenster und spähte hindurch. Die Äste der Obstbäume bewegten sich wie wild im Wind, der weiterhin an Kraft gewann und nun durch alle Ritzen des alten Hauses pfiff. Lump hatte sich unter die Holzbank verkrochen und fiepte leise. Cristin strich ihm über die samtweichen Schlappohren, da klatschten auch schon die ersten Regentropfen gegen die Scheiben. Sie zündete einige Talglampen an und entfachte ein Feuer an der offenen Kochstelle. Bald darauf brutzelte ein Hahn, den sie am Vortag vom Nachbarn gekauft und mit Salz sowie ein paar Kräutern gewürzt hatte, in einer Pfanne und verbreitete einen köstlichen Duft. In einem Korb fand sie frische Pastinaken, die sie kochte und mit etwas Schmalz verfeinert zu einem Brei verarbeitete. Heute würde es ein Festmahl geben.
Irgendwann steckte Ludewig seinen wuchtigen Kopf zur Küche hinein. Sein Blick fiel auf die Pfanne mit dem Hahn, und auf seinem Gesicht breitete sich ein von Vorfreude beseeltes Grinsen aus. »Du machst Essen, Deern?« Tief sog er die Luft durch die Nase ein. »Wie das riecht … einfach köstlich!«
»Das will ich meinen.«
Resolut schob sie den Bader zur Seite, als er sich über die Töpfe und die Pfanne beugte. »Wenn Ihr etwas tun wollt, dann stellt schon einmal die Teller hin. Das Essen ist gleich fertig.«
Wenig später saßen sie zu dritt an Ludewigs altem Tisch und aßen. Unvermittelt schlug ihr der Bader auf die Schultern, sodass Cristin sich beinahe verschluckt hätte. »Das kannst du gern öfter machen, Mädchen.«
Baldo nickte mit vollen Backen. Cristin hatte bemerkt, dass er ihr während des Mahles immer wieder verstohlene Blicke zugeworfen hatte. Zufrieden lehnte sie sich zurück und sah hinaus. Die Bäume und Sträucher bogen sich im Sturm, und die Talglampen nahe dem Fenster flackerten.
Als sie die Küche verließ, hielt Baldo sie am Arm zurück. »Danke.«
»Wofür?«
»Für alles«, erwiderte er, ohne sie aus den Augen zu lassen.
Sie machte sich los und ging an ihm vorbei.
9
L udewig war kurz nach Sonnenaufgang fortgefahren, um in den Dörfern rund um Hamburg nach einigen seiner Patienten zu sehen. Er
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