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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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hatte die Praxis geschlossen und Cristin gebeten, auf den Markt zu gehen, um einige Scheren und Messer schleifen zu lassen.
    Baldo schlief noch, als sie die Haustür leise ins Schloss zog. Kurz darauf schlenderte sie an den Ständen und Handkarren der Korbflechter und Kesselflicker vorbei, die ihre Dienste anboten. Stimmengewirr erfüllte die Luft. An den Tischen der Gewürzhändler und Kräuterweiber blieb sie stehen und atmete tief ein. Einen Moment lang genoss sie das Aroma der Kräuter und Gewürze, während der Wind ihr Gesicht streichelte. Ihr Haar war in den vergangenen Monaten, die sie nun schon beim Bader lebten, ein gutes Stück gewachsen, dennoch trug sie es auch im Haus immer noch unter einem Tuch verborgen. Die Arbeit bei Ludewig bereitete ihr Freude, und auch Baldo machte täglich kleine Fortschritte. Zwar ging er ihr weiterhin so oft wie möglich aus dem Weg, war wortkarg und nachdenklich, aber sie näherten sich einander an.
    Jeden Abend, wenn Cristin nach getaner Arbeit in die gemeinsame Kammer kam, machte sie wieder Gehübungen mit ihm, und jeden Tag schien ein wenig mehr Kraft in seine Muskeln zurückzukehren. Auch wenn Baldo sich meist noch schwer auf sie stützte und beim Gehen ein Bein nachzog, wusste Cristin, er würde wieder gesund werden. Um seinen Gemütszustand allerdings machte sie sich große Sorgen. Er litt unter seinen Gedächtnislücken und konnte sich nach wie vor nicht erinnern, wer er war. Es war eindeutig, dass ihn noch etwas zu quälen schien. Wahrscheinlich misstraut er mir, dachte sie, während sie mit dem Weidenkorb voller Scheren und Rasiermesser unter dem Arm den Stand eines Scherenschleifers ansteuerte, vor dem sich bereits zwei Frauen eingefunden hatten. Sie stellte sich zu ihnen und beobachtete gebannt, wie der Mann ein großes Küchenmesser an die Kante des Schleifsteins hielt, den er mit einem Pedal in Bewegung setzte. Der Mann sah auf. »Lasst Eure Sachen ruhig da, es dauert noch ein Weilchen, bis Ihr dran seid«, meinte er. »Bestimmt habt Ihr noch was anderes zu erledigen.«
    Sie reichte dem Scherenschleifer ihren Korb über den Tisch, drehte sich um – und blieb wie angewurzelt stehen. Nur wenige Schritte von ihr entfernt standen zwei Männer, und die Art, wie die beiden sie betrachteten, ließ in Cristin das Gefühl aufkommen, als stünde sie nackt und ungeschützt vor ihnen. Ihre Haut prickelte, warnte vor Gefahr, ihre Handflächen wurden feucht. Verstohlen schaute sie sich nach allen Seiten um, dann wieder zu den Unbekannten. An den Gürteln, die ihre Mäntel zusammenhielten, baumelten Dolche. Das Blut wich ihr aus dem Kopf, und die Erinnerung an den Tag ihrer Verhaftung auf dem Lübecker Marktplatz stand ihr vor Augen, als wäre es gestern gewesen. Immer noch starrten die Männer sie an, ein Frösteln überlief Cristins Körper. Büttel, schoss es ihr durch den Kopf, Häscher des Gerichts. Sie haben mich gefunden.
    Die Männer wechselten vielsagende Blicke und sprachen leise miteinander, dann wies einer mit ausgestrecktem Finger auf sie, nickte, und sie setzten sich in Bewegung. Cristin war wie gelähmt. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff und die Starre ihrer Glieder nachließ. Weg! Ich muss hier weg! Sie rannte los. Die Umgebung verschwamm vor ihren Augen. Um Himmels willen! Kalter Schweiß rann über ihre Schläfen. Jemand warf ihr eine unflätige Bemerkung zu, während sie durch die Menge stob und über einen umgefallenen Korb sprang. Brotlaibe fielen heraus und landeten auf dem sandigen Boden. Sie presste eine Hand auf ihr Herz, das wie ein Schmiedehammer unter ihren Rippen schlug. Ein schneller Blick über die Schulter zeigte ihr, dass sich der Abstand zu ihren Verfolgern vergrößert hatte. Doch dann tauchte ein Wasserträger plötzlich vor ihr auf. Cristin wollte dem Mann mit der großen Holzbutte auf dem Rücken ausweichen, sprang zur Seite und stieß mit dem rechten Fuß gegen einen losen Stein. Mit einem Aufschrei stolperte sie und stürzte auf das Pflaster. Sie erhob sich, wandte den Kopf. Die Büttel hatten aufgeholt, kamen näher. Der lange, bunte Rock, den Ludewig ihr vor einiger Zeit geschenkt hatte, behinderte sie, daher raffte sie ihn kurzerhand bis zu den Knien und beschleunigte das Tempo. Endlich erreichte sie das Ende des Marktplatzes, bog nach Luft ringend um eine Hausecke. Und prallte gegen einen Mann. Cristin erschrak und blieb unwillkürlich stehen. Er war jung und blond.
    »Hier hinein!«, hörte sie den Mann rufen. Gleichzeitig

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