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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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Tür zu Ludewigs Behandlungszimmer öffnete. Suchend glitt ihr Blick über die einfachen Regale, auf denen der Bader seine Instrumente und Materialien aufbewahrte. Ihr Herz schlug schneller. Wenn sie doch nur einen Ausweg aus der Misere wüsste! Mit gerecktem Hals hielt sie nach dem Gewünschten Ausschau. In einem Weidenkorb wurde sie fündig, nahm ein Stück Pergament, ein Fässchen Tinte und einen Federkiel heraus und setzte sich auf einen Hocker. Als sie die dünne Tierhaut auf den Tisch legte und den Kiel in die Tinte tunkte, zitterten ihre Knie. Verflixt. In ihrer Erinnerung forschte sie nach den Buchstaben, die sie damals heimlich erlernt hatte. Es war lange her, seit sie … Cristin befeuchtete ihre Lippen und beugte sich über das Pergament. Langsam und ein wenig ungelenk begann sie, die Buchstaben zu zeichnen. Ludewig, wir danken Euch für alles, was Ihr für uns getan habt, schrieb sie. Doch nun müssen wir …
    »Was suchst du denn hier?«
    Cristin erstarrte, errötete bis zu den Haarwurzeln. Sie sah auf.
    Ludewig stand im Türrahmen, sein Blick wanderte zu dem Federkiel in ihrer Hand. »Was soll das alles?«
    »Ich wollte …«
    »Was wolltest du, Agnes?«
    »Ich wollte Euch … eine Nachricht hinterlassen.« Einige Atemzüge lang herrschte Schweigen. Cristin legte die Schreibutensilien auf den Tisch und erhob sich. »Adam und ich … wir müssen gehen.«
    Er musterte sie mit zusammengezogenen Brauen. »Einfach so?«
    Bei der Heiligen Jungfrau, wie sollte sie ihm alles erklären? »Wir sind Euch sehr dankbar, Ludewig, aber wir können nicht länger bleiben. Bitte entschuldigt unseren eiligen Aufbruch.«
    Er hob ihr Kinn und strich mit der anderen Hand über das stramm gebundene Kopftuch. Seine Augen erforschten die ihren. »Sie suchen dich, nicht wahr, Agnes?«
    Entsetzt wich sie zurück, und in ihrem Gesicht zuckte es. »Ihr müsst mir glauben, dass es uns leidtut. Bitte, dringt nicht weiter …«
    Woher weiß er das nur?, durchfuhr es sie. Er muss Baldo und mich belauscht haben, als wir darüber gesprochen haben. Ihre Gedanken überschlugen sich. Wenn sie ihm schon nicht alles erzählen konnte, so wollte sie wenigstens so ehrlich wie möglich sein.
    »Ja«, hauchte sie und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Ich werde gesucht. Ich …«
    Ludewig schüttelte den Kopf. »Schweig, Deern.« Seine Stimme klang warm. »Je weniger ich darüber weiß, umso besser. Eines aber weiß ich, Agnes: Du bist ein gutes Mädel. Und nun geh. Ich wünsche euch beiden viel Glück.«

10
     
    E ine Stunde später rollten die beiden in einem von einem kräftigen Kaltblüter gezogenen Planwagen durch das Spitaltor aus der stolzen Hansestadt Hamburg hinaus. Agnes und ihr Bruder Adam, wie sie sich auch den Gauklern vorgestellt hatten, saßen schweigend nebeneinander. Die Büttel seien hinter ihnen her, hatte Michel den anderen erzählt und sie nach deren anfänglichem Misstrauen davon überzeugen können, die Flüchtlinge mitzunehmen. Nachdenklich sah Cristin in den wolkenlosen Himmel. Die untergehende Sonne tauchte die Dächer der Stadt in ein weiches Licht, während in ihr widerstreitende Gefühle kämpften. Als Ludewig ihnen damals angeboten hatte, sie mit nach Hamburg zu nehmen, war sie sich so sicher gewesen, Lübeck, diese unselige Stadt, erst wieder zu betreten, wenn sie Elisabeth zu sich holen würde. Doch dieser Moment schien in weiter Zukunft zu liegen. Das Auftauchen der Büttel auf dem Marktplatz hatte ihr deutlich gemacht, dass Vogt Büttenwart auch jetzt, Monate nach ihrer Flucht, noch nach ihr suchen ließ. Die Sehnsucht nach ihrem Kind wurde übermächtig in ihr. Bei Lynhard und Mechthild wäre die Kleine in Sicherheit, die beiden waren liebevolle Eltern, und ganz sicher kümmerten sie sich genauso gut um Elisabeth wie um ihre eigenen Kinder. Auch wenn Mechthild sie vor Gericht der Zauberei bezichtigt und sie eine Hexe genannt hatte.
    Da war allerdings noch etwas, das Cristin bis in ihre Träume verfolgte. Seit dem Tage, als das Mädchen mit den Anzeichen einer Vergiftung in Ludewigs Haus gebracht worden war, ließ Cristin diese Begebenheit nicht mehr los. War es möglich, dass Lukas etwas Ähnliches zugestoßen war? War er tatsächlich einer Vergiftung erlegen, so wie sie es damals gefühlt und geahnt hatte? Nur mit einem Unterschied: Lukas war viel zu klug gewesen, um freiwillig die Beeren der Tollkirsche zu kosten. Jedes Mal, wenn sie an diesem Punkt ihrer Überlegungen angekommen war, wurde ihr übel. Was

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