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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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ihre Zukunft verrät.« Er grinste. »Darfst ihnen natürlich nur Gutes voraussagen. Welcher Bauer will schon wissen, dass er sich in der nächsten Woche ein Bein bricht oder sein Hof abbrennt! Oder welche Frau, dass ihr Mann in einem Jahr den Löffel abgibt!«
    Cristin fröstelte plötzlich.
    »Für Adam finden wir auch noch etwas.«
    Wortlos wandte sie sich um und kroch in den hinteren Teil des Wagens zurück, wo Utz begonnen hatte, auf dem birnenförmigen Instrument zu spielen. Sie setzte sich wieder neben Baldo auf das blank polierte Holzbrett. Gebannt hörte sie zu, wie Utz seiner Laute eine leise Melodie entlockte, indem er mit dem Kiel einer Vogelfeder an den Saiten zupfte und dabei ein keckes Lied anstimmte.
    »Es wollt ein Bauer früh aufstehn und auf seinen Acker gehen. Falleri tarallalla, falleri tara. Und als der Bau’r nach Hause kam, da wollt er was zu fressen han. Und als der Bauer saß und fraß, da rumpelt in der Küche was. ›Ach liebe Frau, was ist denn das? Da rumpelt in der Küche was!‹ Falleri Tara.«
    Die blonde Irmela fiel mit heller Stimme in den Gesang ein. »Ach, lieber Mann, das ist der Wind, der raschelt da am Küchenspind …«
    Cristin drehte den Kopf und sah Baldo an. Er hatte sich verändert. Ein kurzer, dichter Vollbart bedeckte Kinn und Wangen, sein Haar war ebenfalls gewachsen und fiel ihm nun wellig bis weit über die Schultern, und seine Züge wirkten härter. Doch sie kannte auch seine warmherzige Seite, ahnte, dass diese neue Härte bloß ein Schutzwall war, den er um sich errichtet hatte. Von dem jungenhaften Mann von vor ein paar Monaten war jedenfalls kaum noch etwas übrig, stellte sie mit einem Anflug von Traurigkeit fest.
    »Der Bauer sprach: ›Will selber sehn, will selber in die Kammer gehn.‹ Falleri taralla, falleri tara. Und als der Bau’r in d’ Kammer kam, da zog der Pfaff die Hosen an.«
    Baldos sonst so ernster Mund verzog sich zu einem Grinsen.
    »›Ei, Pfaff. Was machst du in mei’m Haus? Ich werf dich ja sogleich hinaus!‹ Der Pfaff, der sprach: ›Was ich verricht? Dein Frau, die kann die Beicht noch nicht.‹ Da nahm der Bau’r ein Ofenscheit und haut den Pfaffen, dass er schreit. Falleri tarallala. Falleri tara. Der Pfaffe schrie: ›Oh Schreck, oh Graus, und hängte den Arsch zum Fenster raus …«
    Auch Cristin musste nun lächeln. Die Gaukler hielten ganz offensichtlich nichts von den Pfaffen, ebenso wenig wie sie. Wie die meisten Menschen hatte sie der Geistlichkeit gegenüber immer Ehrfurcht empfunden, doch die war ihr nach allem, was sie erlebt hatte, gründlich vergangen. Vor ihrem inneren Auge tauchte das gleichgültige Gesicht des hageren Priesters auf, der ihr das Schilfrohr in die Grube herunterreichte, bevor die ersten Schaufeln Erde auf sie herabfielen. Sie vernahm seine salbungsvolle Stimme. Spürte die schallende Maulschelle, die er ihr gab, als sie ihm ihre Verachtung entgegengeschleudert hatte. Nur mit Gewalt konnte Cristin die quälenden Bilder abschütteln und sich wieder auf die Gegenwart konzentrieren, aber die erschien ihr auch nicht freundlicher. Bald würden sie in Lübeck sein. Alles in ihr wehrte sich dagegen, diese Stadt so rasch wieder betreten zu müssen. Selbst eine noch so gute Verkleidung wird mich möglicherweise nicht genügend schützen, überlegte sie. Was war mit den Geschäftsfreunden, den Nachbarn und Kunden der Spinnerei? Ein aufmerksamer Betrachter würde sie erkennen und sicher nicht zögern, sie dem Vogt zu übergeben …

11
     
    G egen Abend erreichten sie Brectehegel, wo Michel und Mathes die Planwagen auf dem Anger in der Mitte des Dorfes zum Stehen brachten. Es war inzwischen dunkel geworden, und die Männer machten sich eilends daran, auf dem festgestampften Boden das Nachtlager aufzuschlagen. Nachdem Cristin Baldo vom Wagen heruntergeholfen hatte, schaute sie sich um. Die Gaukler waren nicht die Einzigen, die die Nacht auf dem Dorfplatz verbringen wollten. Etwa ein halbes Dutzend Pferdewagen und Eselkarren standen bereits in der Dunkelheit. Vor einigen brannten kleine Lagerfeuer, an denen Männer saßen und sich unterhielten.
    Urban trat neben sie. »Die meisten Händler, die zwischen Lübeck und Hamburg unterwegs sind, machen hier Rast.«
    Cristin nickte. »Kann ich irgendwie helfen?«
    »Wenn du dich nützlich machen willst, dann hilf Irmela und Duretta beim Essenkochen«, schlug der kräftige, mindestens zwei Köpfe größere Mann vor. »Michel, Utz und Mathes tränken die Pferde. Ich muss

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