Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
Vom Netzwerk:
warten. Dort würde am Abend, sobald es dunkel wäre, ein Ruderboot sie aufnehmen, um sie an Bord zu bringen, ohne dass jemand etwas bemerkte.
    Diogo fröstelte. Über den Dächern von Antwerpen graute der Tag. Nebelschwaden hingen in den engen Häusergassen, und das Pflaster des Groenplaats glänzte nass vom Regen der Nacht. Keine Menschenseele war weit und breit zu sehen. Nur in einer Backstube, an der Ecke des Schoenmarkts, herrschte bereits Betrieb. Ein Bäckerjunge mit einem Brotkorb verließ gerade das Haus und überquerte pfeifend den Platz.
    Plötzlich hörte Diogo lautes Hufgetrappel, und im nächsten Augenblick sah er die Reiter - Gardisten der Regentin, die vom Eiermarkt herbeigaloppierten. Unwillkürlich zuckte er zurück. Während er sich in einer Einfahrt versteckte, parierten die Reiter ihre Pferde, direkt vor Gracias Haus.
    »Hier ist es!«, rief der Offizier, der den Trupp anführte, und sprang aus dem Sattel. »Haltet euch bereit!« Er zog seinen Säbel und pochte an Gracias Tor.
    Diogo hielt den Atem an. Am liebsten wäre er losgerannt, um seiner Geliebten zu Hilfe zu eilen. Aber das wäre das Dümmste gewesen, was er tun konnte. Fieberhaft dachte er nach. Was sollte er tun?
     

43
     
    »Wo ist Reyna?«, fragte die Regentin. »Wo ist Eure Tochter? Meine Ehrendame?«
    Gracia hatte gerade den Brief von Amatus Lusitanus entdeckt, als es am Tor geklopft hatte und die Garde in ihr Haus eingedrungen war. In einem vergitterten Wagen hatte man sie nach Brüssel gebracht, wie eine Kindsmörderin oder Hexe. Jetzt war sie ihren schlimmsten Widersachern ausgeliefert, allein und ohne Beistand. Während Aragon im Audienzsaal des Coudenberg-Palasts auf und ab marschierte, um seiner Erregung Herr zu werden, thronte Cornelius Scheppering neben der Regentin, um das Verhör zu führen. Der Dominikaner hatte sich nicht in die Irre führen lassen und für Gracias Verhaftung gesorgt. »Redet, verfluchtes Weib«, herrschte er sie an. »Oder hat die Sünde Euch die Zunge gelähmt? Wir wissen genau, das alles ist Euer Werk!«
    Statt einer Antwort reichte Gracia der Regentin Joses Brief, in dem ihr Neffe Reynas Entführung gestand. Während Maria das Schreiben mit hochgezogenen Brauen las, stampfte Aragon in seinem goldenen Anzug vor dem Thron hin und her. »Dafür werdet Ihr büßen«, rief er. »Ich lasse sämtliche Niederlassungen der Firma Mendes schließen und alle Besitztümer konfiszieren, egal ob Waren oder Speicher oder Schiffe! In allen Ländern des Reiches! Ich werde Euch zugrunde richten!« »Dazu habt Ihr kein Recht«, sagte Gracia und hoffte, dass Gott ihr die Lüge verzieh. »Mein Neffe José Nasi trägt die Verantwortung für das, was geschehen ist. Er hat uns alle hintergangen. Auch mich.«
    »Es waren zwei Männer«, erwiderte Aragon. »Ein Offizier und ein Mann mit einem Rapphengst. Diogo Mendes!« »Wo ist Euer Schwager?«, fragte die Regentin. »Ich weiß es nicht. Ich wäre selbst froh, wenn ich es wüsste.« Und das war bei Gott die lautere Wahrheit. »Um Diogo Mendes kümmern wir uns später«, sagte Aragon. »Zuerst will ich meine Braut zurück! Ich verlange, dass man einen Steckbrief ausstellt, für sie und ihren angeblichen Entführer. Sie können noch nicht weit sein. Eine Frau ist eine Behinderung auf Reisen. Die Reiter der Garde werden sie bald eingeholt haben.«
    »Der Brief meines Neffen trägt ein Postskriptum«, sagte Gracia. »Ich denke, es ist von einiger Bedeutung.«
    Die Regentin drehte das Schreiben um. Mit einer Stimme, die Gracia frösteln ließ, las sie den Zusatz vor: »Wenn Ihr diese Zeilen empfangt, ist Reyna Mendes schon meine mir angetraute Ehefrau. Es hat darum keinen Sinn, uns zu verfolgen.« »Was für eine widerwärtige Lüge!«, heulte Cornelius Scheppering auf. »Aber sie wird nichts nützen. Niemals wird diese Judenbrut nach christlichem Ritus heiraten, und eine jüdische Eheschließung hat keine katholische Gültigkeit. Also ist die Behauptung eine Ausrede - blanker Unsinn!«
    »Verschont uns mit Euren theologischen Spitzfindigkeiten«, rief Aragon, um sich gleich wieder an Gracia zu wenden. »Sagt endlich die Wahrheit! Oder ich klage Euch wegen Ketzerei an!« »Die Kirche hat mir nichts vorzuwerfen«, entgegnete Gracia. »Ich erfülle alle Christenpflichten. Außerdem hat der Kaiser meiner Familie ein Privileg ...«
    »Das ist mir vollkommen egal!«, schrie Aragon. »Ich warne Euch! Wir haben einen Ehevertrag! Den könnt Ihr nicht brechen! Und solltet Ihr es trotzdem

Weitere Kostenlose Bücher