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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Platz! Wie eine Hexe! Um an dein Geld zu kommen! Für den da!« Reyna zeigte auf Tristan da Costa. »Weil sie seine Hure ist!«
    »Halt sofort den Mund! Ich verbiete dir, so zu sprechen!« »Begreifst du denn nicht?«, rief Reyna. »Für einen Mann, der dich verraten hat, hat sie dich verraten! Damit er freikam und leben konnte, hat sie dich in die Falle gelockt! Zusammen mit den Dominikanern! Um mit ihrem Liebhaber dein Geld zu verprassen! Für Schmuck und Kleider! Und du willst sie mitnehmen nach Konstantinopel? Nie und nimmer lasse ich das zu!« Reyna unterbrach sich, um Luft zu holen. Dann sagte sie, plötzlich ganz ruhig und klar: »Wenn deine Schwester mitkommt, bleibe ich hier.«
    Gracia war so verwirrt, dass sie keine Worte fand. Mit allem hatte sie gerechnet, nur nicht damit.
    »Du ... Du und Brianda, ihr habt euch doch immer so gut verstanden, ein Herz und eine Seele wart ihr, solange ich zurückdenken kann ...« Sie wandte sich zu ihrer Schwester, die genauso blass war wie Reyna. »Kannst du mir erklären, was das bedeutet?«
    »Ich glaube, ich weiß, was sie meint«, sagte Brianda. »Aber ... aber ...«
    »Aber was?«, rief Gracia. »Gibt es irgendetwas zwischen euch, was ich nicht weiß?«
    Sie schaute die beiden an, erst ihre Schwester, dann ihre Tochter. Beide wichen ihrem Blick aus und sahen stumm zu Boden. Brianda war die Erste, die ihre Sprache wiederfand. »Reyna hat recht«, sagte sie mit rauher Stimme. »Wir können nicht mehr zusammenleben. Es ... es ist einfach zu viel passiert.« Links und rechts, überall flatterten Tauben auf und erhoben sich in die Lüfte, um wer weiß wohin zu fliegen. Plötzlich, von einem Moment zum anderen, war es vorbei mit Gracias Versöhnungsfreude und Zuversicht.
    »Soll das heißen, du willst wirklich hierbleiben?« Brianda nickte. Und obwohl sie kein Wort sagte, bestand kein Zweifel daran, dass es ihr ernst war. Gracia spürte, wie ihr der Mund trocken wurde.
    »Warum?«, fragte sie. »Ich hab dir doch verziehen. Es gibt doch nichts mehr, was ...« Sie stockte, mitten im Satz, und brach ab. »Oder ist es, weil du mir nicht verzeihen kannst? Wegen damals, in Antwerpen?«
    Noch während sie sprach, kamen ihr die Tränen, und ihre Stimme erstickte. Ihr ganzes Unglück tat sich vor ihr auf. Was blieb ihr denn auf dieser Welt, wenn sie ihre Schwester verlieren würde ? -Sie hatte nur noch einen einzigen Wunsch, und der brannte so heftig in ihr, dass sie gar nichts anderes mehr denken konnte. Es dauerte eine Ewigkeit, bis Brianda endlich den Mund aufmachte. Ihre Stimme war so leise, dass Gracia sie kaum verstand. »Glaub mir, ich würde so gerne mit dir kommen«, sagte sie. »Aber - ich kann nicht.«
    Unwillkürlich wich Gracia einen Schritt zurück. Die Enttäuschung, die sie empfand, war wie ein großes schwarzes Loch, das sich unter ihren Füßen auftat, um sie zu verschlucken. »Was heißt das - du kannst nicht?«, fragte sie, obwohl sie die Antwort wusste.
    »Bitte, Gracia, hör auf zu fragen.« Auch Brianda musste schlucken, und ihre Augen schimmerten feucht. »Es ist am besten so, das musst du mir glauben. Fahr du mit Reyna nach Konstantinopel. Ich bleibe hier, zusammen mit meiner Tochter. Und - mit meinem Mann.«
    Gracia wollte protestieren, sie überreden, mit ihr zu kommen, weil sie doch zusammengehörten. Doch als sie das Gesicht ihrer Schwester sah, den Blick, den Brianda und Tristan da Costa miteinander tauschten, begriff sie, dass jeder Versuch vergeblich sein würde.
    »So sehr liebst du ihn?«, fragte sie. »Ja«, flüsterte Brianda.
    Gracia nickte. Liebe ... Immer wieder Liebe ... Wie hasste sie dieses Wort ... Dieses harmlose, unschuldige Wort ... Dieses furchtbare, bedrohliche Wort ... Dieses Wort, das den Himmel auf Erden versprach und doch nur Elend und Tod bedeutete ... Dieses eine Wort, auf das es keine Antwort gab. »Ist das alles, was du mir zu sagen hast?« Brianda schlug stumm die Augen nieder.
    Obwohl ihre Beine schwer waren wie Blei, trat Gracia auf sie zu. Und als sie ihr die Hand reichte, wusste sie, dass sie nach diesem Tag ihre Schwester nie mehr in ihrem Leben wiedersehen würde.
    »Leb wohl«, flüsterte sie.
    Dann, ohne ein weiteres Wort, ohne einen Blick, wandte sie sich ab und ging fort. Zusammen mit Reyna.
     

44
     
    Der Zehnerrat der Republik Venedig hatte in seinem Gerichtsbeschluss die Frist von einem halben Jahr festgesetzt, innerhalb deren die beiden Parteien frei über ihren Aufenthaltsort entscheiden könnten. Sobald das

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