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Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06

Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06

Titel: Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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sehnten geradezu den Tod herbei. Andere beteten täglich darum,
daß Ihr zurückkehren und sie wieder in die Heimat führen möget. Aber allmählich setzte sich die Überzeugung
durch, daß Ihr und die Schar, die mit Euch fortzog, längst
von den Skrälingen gefressen worden seid. Eines Tages
verschwanden die Kreaturen, die so lange an der Küste
auf sie gewartet hatten, und zogen nach Süden. Die Rabenbunder berieten lange, was nun zu tun sei. Nach vielen Wochen des Hin und Her riefen sie schließlich mich
und baten darum, von mir gefressen zu werden. Um so
ihrem Elend ein Ende zu machen.«
Die Bärin verdrehte die Augen. »Ihr Geschrei belästigte mich. Weckte meine Jungen. Verscheuchte die Robben, so daß ich Hunger litt. Obwohl ich anfangs die größte Geduld aufbrachte, weil das Schicksal der
Rabenbunder mich dauerte, wuchs doch mein Zorn stetig
an. Irgendwann sagte ich mir dann, daß es so nicht weitergehe …«
Urbeth schüttelte bei der Erinnerung den Kopf. »Also
erfüllte ich ihnen ihren Wunsch und fraß sie. Ich verschlang so viele der Euren, daß mir fast der Bauch platzte
und ich sie wieder ausspucken mußte. Nach einer Weile
tat ich mich wieder an ihnen gütlich, bis mir nichts anderes übrigblieb, als auch diese auszuspeien. So ging es
immer weiter, ich fraß und spuckte, bis auch der letzte
Schreihals verstummt war. Aber wo ich hinspuckte,
wuchsen diese Bäume hier.«
Sie nickte in Richtung des Waldes. »Ich mag sie nicht.
Ihr Grün stört die Harmonie von Schnee, Eis und grauem
Wasser. Deswegen möchte ich, daß Ihr sie mitnehmt.«
Ergriffenes Schweigen folgte ihren Worten. Die Blikke aller richteten sich auf den Wald, dann auf den Eisbären und schließlich wieder auf die Bäume.
»Urbeth«, begann der Häuptling endlich, »viele aus
meinem Volk haben lange in den südlichen Landen gelebt und befinden sich mittlerweile auf dem Rückmarsch
in die alte Heimat. Mit ihnen zieht auch meine Tochter
In’Mari. Sie ist mit Izanagi verheiratet, den Ihr hier unter
uns seht. Meine Tochter ist guter Hoffnung, und wenn
Ihr Kind geboren ist, hätte ich gern, daß Ihr Euch als seine Patentante zur Verfügung stellt.«
»Patentante? Was ist das denn?«
»Jedes Kind, das bei den Rabenbundern das Licht der
Welt erblickt, erhält eine Patentante und einen Patenonkel, die ihm verpflichtet sind. Diese wirken als eine Art
geistige Führer für das Kind. Sie bewahren es zum Beispiel vor Dämonen oder lehren es alles über das Eis.«
Urbeth strahlte. »Oh ja, Ho’Demi, das würde mir sehr
gefallen. Ihr seid überaus großzügig.«
Der Häuptling wartete geduldig.
»Na schön, also gut«, murrte die Bärin schließlich.
»Nehmt Euer Volk, und zieht ab. Aber nur unter einer
Bedingung.«
»Und wie lautet die?«
»Daß Ihr sie nie wieder für so lange Zeit traurig und
allein auf dem Packeis sitzen laßt. Ich brauche nämlich
wenigstens nachts meine Ruhe.«
»Versprochen, große Urbeth.«
»Gut, gut, dann will ich mal sehen.«
Die Bärin seufzte tief, erhob sich und watschelte zum
ersten Baum. Sie betrachtete ihn einen Moment lang und
versetzte ihm dann mit einer Tatze einen gewaltigen
Hieb.
Der Baum schwankte heftig, bis ein großes Krachen
und Knarzen die Luft erfüllte: Der Stamm kippte, und im
Fallen verfingen sich seine Äste in denen seines Nachbarn und rissen ihn mit. Dieser wiederum berührte im
Sturz seinen Nachbarn, und so setzte sich das Fallen bald
mit rasender Geschwindigkeit durch den ganzen Wald
fort.
Lautes Krachen und der durchdringende Geruch von
Harz durchdrang die Morgenluft, und überall regnete es
Tannennadeln. Alle, auch Urbeth, mußten sich abwenden, husten und über die Augen wischen.
»Ein Ärgernis«, hörten die, welche ihr am nächsten
standen, »von Anfang an ein einziges Ärgernis.«
Nach einer Weile erhoben sich Menschen aus dem
Gewirr der Äste. Erst hier und da einer, dann Paare und
schließlich ganze Gruppen. Ein jeder blickte sich verwirrt
um, wirkte abgemagert und hatte eingefallene Züge, aber
ansonsten waren sie allesamt höchst lebendig.
Ihr Blick fiel erst auf den Eisbären, dann auf die Leute
hinter ihm, und es stiegen ihnen die Tränen in die Augen.
Sie breiteten die Arme aus und riefen nach ihren Verwandten.
»Wenn ich Euch einen Vorschlag machen dürfte,
Ho’Demi«, bemerkte Urbeth, »Eure Kämpfer sollten jetzt
besser angeln und Robben jagen gehen, statt hier herumzustehen und Maulaffen feilzuhalten. Die Wiedererwachten sehen nämlich aus, als

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