Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06
um ihn.
Wie konnte es nur so mit mir zu Ende gehen?
Wie konnte alles nur so enden?
Wie konnte es …
Wie …
Axis stand immer noch vor Anstrengung schweratmend da und betrachtete den Sterbenden. Er hatte Timozel schon gekannt, als er noch ein Säugling gewesen war.
Hatte ihn geliebt, umsorgt und geschützt, weil dies das
Kind von Embeth und Ganelon war. Und auf alle Leistungen des Knaben war er ebenso stolz gewesen wie
seine Eltern.
Der Krieger versuchte, Trauer über das Ende des Jünglings zu empfinden, aber es gelang ihm nicht.
Timozel hatte ihn verraten … und ohne Zweifel auch
Faraday.
Axis schüttelte sich, wie um aus einer Betäubung zu
erwachen, und starrte in den Gang, wo Arne mit seinem
Umhang auf ihn wartete.
»Und jetzt müssen wir Faraday suchen.«
33 M USIK DER
S
TERNE
Er zog das Regenbogenzepter aus seinem Waffengurt
und trat auf den Getreuen zu.
Jetzt galt es, Gorgrael aufzustöbern und Faraday zu finden, nichts sonst spielte mehr eine Rolle für ihn.
Axis schob sich an Arne vorbei, der ihm nun wortlos
folgte.
Das Labyrinth der Gänge in der Eisfestung konnte den
Krieger nicht länger verwirren oder in die Irre führen.
Das Zepter fühlte sich in seiner Hand warm an, und er
vermeinte, bereits leise Schwingungen in dem Stab zu
spüren. Seine Schritte hallten durch die Gänge des Gebäudes wider, und aus seinen Tiefen drang ein Schrei
nicht so sehr an sein Ohr wie an sein Herz.
Sein Bruder. Er rief nach ihm.
Axis schritt rascher aus. Sein ganzes Sinnen war nur noch
darauf gerichtet, den Zerstörer zu stellen. Fast hätte man
meinen können, die Prophezeiung ziehe ihn durch den Eispalast. Als er um eine Ecke bog und einen langen Eisgang
vor sich sah, an dessen Ende sich eine schwere Holztür befand, spürte er, wie die Weissagung mit glühendheißen Krallen in seine Eingeweide griff und ihn vorwärts zerrte.
Erst als der Krieger unmittelbar vor der Tür stand, erinnerte er sich des Getreuen, der ihm immer noch folgte.
Axis fuhr so unvermittelt und rasch herum, daß Arne sich
nicht dagegen wehren konnte, von seinem Herrn an die
Wand gepreßt zu werden.
Der Sternenmann fuhr ihm mit einer Hand an die Gurgel und knurrte mit vor Zorn verzerrtem Gesicht: »Ihr
wartet hier!«
Arne wußte, daß die Wut sich nicht gegen ihn richtete,
sondern auf das, was sich hinter der Tür befand.
Der Getreue nickte.
»Bleibt hier stehen«, befahl Axis ihm noch einmal,
jetzt jedoch ruhiger. »Die Prophezeiung verlangt nicht,
daß Ihr ebenfalls diese Kammer betretet. Sie schreibt
auch keineswegs Euren Tod vor.«
Seine Stimme war wieder höher geworden, und Arne
nickte schnell.
»Ich möchte, daß wenigstens einer diesen Kampf
überlebt«, erklärte der Krieger und ließ seinen Gefährten
dann los.
Nun atmete er tief ein, ohne den Blick von Arne zu
wenden, und dieser sah ihm an den Augen an, welche
Gefühle in ihm tobten und brannten.
»Ich werde die Tür bewachen«, erklärte der Gefährte,
»und Euren Umhang halten.«
Diese einfachen Worte ließen Axis die Tränen in die
Augen treten. »Und betet für mich und für die Herrin
Faraday. Wollt Ihr auch das tun?«
Arne nickte, und nun wurden auch ihm die Augen naß.
»Ja, werter Herr.«
Axis stand mit dem Regenbogenzepter vor der Tür und
streckte die freie Hand nach ihrem Knauf aus. Er atmete tief und langsam, um ruhiger zu werden und sich zu
sammeln. Der Krieger kannte die dritte Strophe der
Prophezeiung und wußte, daß sie zwei Schlüssel enthielt – einen zu seinem Untergang und den anderen zu
seinem Sieg. Er konnte den Zerstörer bezwingen, aber
nur, wenn er sich geistig ausreichend für den Kampf
rüstete.
Das war natürlich auch Gorgrael bekannt, und er würde alles in seiner Macht stehende tun, um Axis abzulenken und sein Gemüt zu verwirren.
Der Sternenmann besann sich auf den Sternentanz und
dessen wunderbare Musik. Er ließ sich von ihr durchströmen, dachte an Aschure und Caelum und gewann
durch ihre Liebe zu ihm zusätzliche Kraft.
Dann drehte er kraftvoll den Bronzeknauf, öffnete die
Tür und betrat das Gemach seines Bruders.
Die Tür schloß sich geräuschlos hinter ihm.
Gorgrael wartete zehn oder zwölf Schritte von ihm
entfernt. Er schien vor einem Kamin zu stehen, denn
Axis glaubte, hinter ihm das Hochschlagen von Flammen
erkennen zu können.
Der Zerstörer wirkte noch genauso abstoßend, wie der
Krieger ihn von damals in Erinnerung hatte … als er sich
beim Angriff auf die Alten Grabhügel in den Wolken
zeigte. Und immer
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