Die Grabräuber
Oberfläche. Eine tote Materie, die einmal eine lebende gewesen war.
Wie hatte es passieren können?
Natürlich durch den Treffer eines Pfeils. Nur sah ich diesen nicht. Möglicherweise war er auch entfernt worden, wer konnte das schon sagen? Der Hund war tot, gestorben auf schreckliche Art und Weise. Aber in diesem Dorf lebten doch nicht nur Hunde!
Aber Menschen hatte ich weder gehört noch gesehen. Allmählich wurde mir die Kehle rauh. Ich kam mir vor wie in einem Alptraum. Zögernd setzte ich meine Schritte, ging durch den Wohnraum, in dem sich ein schmaler Kamin befand, der etwas vorstand und mir deshalb die Sicht auf eine Ecke verdeckte.
Ich umrundete ihn, sah eine Nische und eine aus Holz gefertigte Bank ohne Lehne.
Auf der Bank lag jemand. Er sah aus wie ein Mensch, aber war kein Mensch mehr, sondern eine Figur aus Stein.
Ich beugte mich über ihn. Meine Fingerspitzen streichelten die linke Wange. Sie fühlte sich so kalt und rauh an. Ohne Leben, ohne Blut, und doch halte dieser Mensch einmal gelebt.
Ich räusperte mir die Kehle frei, schaute nach rechts, konnte einen Teil des Rückens erkennen und sah nun den abgebrochenen Pfeil, der aus dem Körper ragte. Sie hatten ihn erwischt.
Der Mann war alt. Seine greisenhaften Züge erkannte ich trotz der Versteinerung. Der schmale Lampenpunkt glitt über das Gesicht hinweg. Sogar die Falten waren noch geblieben.
Furchtbar…
Das war ein Toter. Wie viele Menschen mochten in diesem kleinen Ort leben oder gelebt haben?
Das war eine große Frage. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, als ich nach einer Antwort suchte. Hatte es alle Bewohner erwischt? Oder war einigen noch rechtzeitig die Flucht gelungen? Ich sah eine Leiter, die zum Dachgeschoss führte. Auf unsicheren Beinen schritt ich die Rohrsprossen hoch, sah das flache Dach, unter dem es muffig und nach menschlichen Ausdünstungen roch, und nahm wieder meine Lampe zu Hilfe. Diesmal ließ ich den schmalen Strahl kreisen.
Er traf auf Matten. Sie lagen nebeneinander auf dem Boden. Fünf zählte ich genau. Demnach hatte die Familie aus fünf Personen bestanden. Zum Glück waren die Matten leer. Der eine Tote unten hatte mir auch gereicht. Sollte es nur die Alten und Schwachen erwischt haben? Ich dachte an Hiatu, der uns in das Dorf geschafft hatte und damit auch möglicherweise in eine Falle. Dieser Mann wusste mehr, als er zugeben wollte. Diesmal würden meine Fragen unangenehmer werden!
Mit diesem Vorsatz stieg ich die Leiter wieder hinab, schaute mich unten noch einmal um, entdeckte keinen weiteren Hinweis auf die Mörder und verließ das kleine Haus.
Vor mir lag dunkel die Straße. Ich hatte das Gefühl, von zahlreichen Augen beobachtet zu werden, obwohl ich keinen Menschen sah. Auch Suko nicht! Dabei hatte er warten wollen.
Ich rief seinen Namen. Zunächst leise, fast flüsternd. Als ich keine Antwort bekam, ein wenig lauter. Zum Schlug schrie ich sogar. Eine Antwort bekam ich nicht. Suko war und blieb verschwunden!
Vor meinen Lippen dampfte der Atem. Es war kühler geworden. Irgendwo aus der Ebene strich ein leichter Wind durch den Ort. Er trocknete den Schweiß auf meiner Stirn.
Ich dachte an den verschwundenen Suko und auch die versteinerten Menschen Sollte ihm das gleiche Schicksal widerfahren sein? Daran wollte ich einfach nicht glauben, konnte diesen Gedanken aber auch nicht unterdrücken.
Noch einmal rief ich. Meine Stimme verhallte. Ich hatte das Gefühl, als wäre sie von einem Trichter aus Schatten verschluckt worden. Ich ging einige Schritte vor. Mutterseelenallein kam ich mir vor, schaute nach rechts, nach links und sah die Gestalt. Sie stand mitten auf der Dorfstraße. Dabei winkte sie mir zu und lachte sogar. Suko war es nicht, sondern Hiatu!
***
Der Inspektor halte seinen Freund innerhalb des Hauses verschwinden sehen und wäre selbst mitgegangen, doch er dachte daran, dass einer die Stellung halten und auch John Sinclair den Rücken decken musste. Suko befand sich wieder in seiner alten Heimat. Er gestand sich dabei ehrlich ein, dass er keine Freude daran fand, wieder in China zu sein. Zu sehr hatte er sich bereits mit der westlichen Kultur angefreundet. Zudem störte ihn auch das ganze Drum und Dran dieser seltsamen Reise in das ferne Land, in dem man keinem mehr trauen konnte.
Nicht Quen und auch nicht ihrem neuen Führer Hiatu. Dem möglicherweise erst recht nicht. Suko erinnerte sich genau daran, dass Hiatu vor ihm das Seil hochgeklettert war, sich ein wenig
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