Die Graefin Charny
gefunden, ohnmächtig niedergesunken war. Aber das würde er dem Vater Billot um alles in der Welt nicht gesagt haben.
Das Stillschweigen, das er in bezug auf Katharinen beobachtete, vermehrte die Unruhe Billots, der sein Pferd zu höchster Eile antrieb.
Kaum hielt der Wagen vor dem Gutshof in Pisseleux an, so stieg Billot ab und eilte in das Haus.
Aber vor der Kammer seiner Tochter trat ihm in der Person des Doktor Raynal ein unerwartetes Hindernis entgegen. Der Arzt erklärte, daß Katharinens Zustand jede Gemütsbewegung gefährlich sei. Das war ein neuer schmerzlicher Schlag für Billot.
Es hatte sich eine Gehirnentzündung eingestellt, die im höchsten Grade gefährlich zu werden drohte; Katharine hatte seit dem Vormittag stark phantasiert.
Die Kranke mochte in diesen Fieberphantasien wohl gar seltsame Dinge sprechen, denn der Arzt hatte ihre Mutter schon von ihr entfernt, wie er jetzt ihren Vater zu entfernen suchte.
Mutter Billot saß in der Küche am Kamin; als sie die Stimme Billots hörte, raffte sie sich auf.
»Ei, Vater Billot!« rief sie und sah den Herrn vom Hause mit starren Blicken an.
Dann breitete sie die Arme aus und sank an seine Brust.
Billot sah sie bestürzt an; er schien sie kaum zu kennen.
»Was geht denn hier vor?« fragte er, während ihm der Angstschweiß von der Stirn floß.
Der Doktor Raynal nahm für die trostlose Mutter das Wort.
»Ihre Tochter«, sagte er, »ist sehr krank, sie darf nur bestimmte Personen sehen; binnen zwei bis drei Tagen darf außer mir und den von mir zu bezeichnenden Personen niemand in ihre Kammer.«
Billot seufzte. »Aber sehen darf ich sie doch?« fragte er wie ein Kind.
Der Doktor öffnete die Tür der Kammer, und Vater Billot konnte die Kranke sehen. Katharinens Gesicht erglühte im Fieber, ihr Blick war verwirrt; sie sprach abgebrochene, nur schwer verständliche Worte, und als Billot seine zitternden Lippen auf ihre feuchte Stirn drückte, glaubte er den Namen Isidor zu hören.
Vater Billot zog sich, nachdem er seine Tochter geküßt hatte, zurück, aber sein Gesicht hatte einen finsteren Ausdruck angenommen und er schien voller Sorgen.
»Ich sehe wohl«, sagte er für sich selbst, »es war wirklich Zeit, daß ich nach Hause kam ...«
Nach fünf Minuten tat sich die Tür des Krankenzimmers wieder auf und man hörte die Stimme des Arztes, welcher Pitou rief.
»Was ist gefällig, Herr Raynal?« fragte dieser.
»Komm und hilf Frau Clement, die Katharinen nicht allein halten kann; ich werde jetzt zum dritten Male Ader lassen.«
Pitou wunderte sich sehr, daß er dem Doktor Raynal einen Dienst erweisen sollte.
Der Arzt hatte nämlich bemerkt, daß Katharine in ihren Fieberphantasien, wenn sie von Isidor sprach, auch den Namen Pitou nannte.
Katharine sprach diese beiden Namen indes nicht in gleichem Tone, und der Doktor Raynal hatte daraus geschlossen, daß Ange Pitou der Freund und Isidor von Charny der Geliebte der Kranken sein müsse. Er hielt es daher für angemessen, der letzteren einen Freund zuzuführen, mit welchem sie von ihrem Geliebten sprechen konnte.
Pitou mußte vorläufig die Dienste eines chirurgischen Gehilfen verrichten. Der Doktor zog den Arm Katharinens sanft aus dem Bette, nahm den Verband ab, drückte mit beiden Daumen gegen die noch nicht vernarbte Wunde, und das Blut schoß hervor.
Als Pitou das Blut sah, fühlte er seine Kräfte schwinden. Er sank in den Armsessel der Frau Clement, drückte die Hände auf die Augen und rief schluchzend:
»Oh Jungfer Katharine! ... arme Jungfer Katharine! ...«
Was der Doktor erwartet hatte, traf ein: dieser kleine Aderlaß setzte das Fieber herab. Der Doktor gab noch der Frau Clement die nötigen Weisungen, unter anderm die sonderbare Weisung, ein paar Stunden zu schlafen, während Pitou bei der Kranken wachen würde. Dann gab er Pitou einen Wink und begab sich wieder in die Küche.
Pitou folgte dem Doktor, der die Mutter Billot am Hause sitzend fand.
»Nur Mut gefaßt, Mutter Billot,« sagte der Doktor; »es geht ja so gut, als man nur erwarten kann.«
Pitou erhielt jetzt den Auftrag, eine Medizin zu holen und die Nacht bei der Kranken zu wachen.
Katharine schlief ziemlich ruhig.
Pitou setzte sich ans Fenster, um Katharine recht gut sehen zu können.
Etwa eine Stunde nach seiner Rückkehr regte sich Katharine, ließ einen leisen Seufzer hören und schlug die Augen auf.
Pitous Gesicht strahlte vor Freude, als er sah, daß Katharine ihn anschaute.
»Pitou!« lispelte die
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