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Die Graefin der Woelfe

Die Graefin der Woelfe

Titel: Die Graefin der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Falk
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beruhigte er sie zunächst einmal damit, dass er bestätigte, dass Elena nun in der Tat in einem Alter war, wo sie auch ohne Muttermilch überleben konnte. Seine nächsten Worte waren jedoch nicht dazu geeignet, die Beruhigung aufrechtzuerhalten.
    »Das Kind wird aufgrund der ungewohnten Kost unter Schmerzen und Verstopfung leiden. Sie wird nicht gut schlafen können und viel schreien. Auch bleibt zu erwarten, dass sie an Gewicht verliert und sehr bald recht elend aussieht.«
    Erasmus hatte ihnen jeweils ein Gläschen Likör eingeschenkt, an dem Marijke jetzt nippte.
    »Ich möchte der Gräfin diesen Anblick ersparen. Sie ist derzeit viel zu schwach, um sich mit solchen Sorgen zu beschweren.«
    »An was für eine Lösung haben Sie gedacht?«, fragte Marijke und ein ungutes Gefühl beschlich sie.
    »Ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht, aber kann die Hebamme keine Amme besorgen?«
    »Die Hebamme kommt nicht mehr über diese Schwelle.« Marijke hörte die Schärfe in ihrer Stimme und sah das verräterische Funkeln in Erasmus’ Blick. Ein Fehler, den sie nun nicht mehr zurücknehmen konnte.
    »Lassen Sie mich nur machen, Fräulein von Wertheim, mir wird eine Lösung einfallen.« Seine Stimme sollte verschwörerisch klingen, doch in Marijkes Ohren klang sie lauernd.
    Sie spürte Übelkeit aufsteigen und so schnell es die Schicklichkeit erlaubte, verließ sie den Doktor. Sie brauchte frische Luft und ging nach draußen.
    Der Hof war leer, so viele waren gegangen. Jakobus fehlte ihr. Marijke erinnerte sich noch genau daran, wie Jakobus sie an jenem frühen Morgen hatte rufen lassen. Es war der Morgen gewesen, nachdem der Mönch nach Torgelow gekommen war, mit dem zweifelhaften Auftrag, die Prinzessin zu retten. Amalia war bereits seit über zwei Wochen in die Kammer eingesperrt gewesen. Marijke hatte während all der Zeit ein ungutes Gefühl gehabt, doch die Fürstin war unerbittlich gewesen. Amalia sei von Dämonen besessen, hatte sie erklärt und sie könne nicht geheilt werden, wenn sie, Marijke, sich nicht genauestens an die Vorschriften halte. Sie hatte es geglaubt und erst, als sich Jakobus’ schwere Hand auf ihre legte, kamen die Zweifel. Warum hatte sie nicht gleich Rat bei ihm gesucht, so vieles wäre verhindert worden.
    Jakobus hatte ihr niemals einen Vorwurf gemacht. Auch Amalia nicht, die alle ihre Entschuldigungen vom Tisch gewischt hatte. Doch Marijke konnte sich diesen Fehler niemals verzeihen. Ihr Zögern hätte Amalia beinahe das Leben gekostet. Das durfte sich auf keinen Fall wiederholen. Doch woher sollte sie jetzt wissen, was richtig war? Jetzt, wo keiner mehr lebte, der ihr einen Rat geben konnte, keiner außer dem Doktor. Marijke verspürte große Angst und sehnte sich nach jemandem, der ihr den Weg wies.
     
    *
     
    Amalia war wieder das Kind in der Kammer. Die Begegnung mit dem Kruzifix hatte ihr gezeigt, dass sie niemals herausgekommen war, dass nichts von dem, was sie glaubte, jemals geschehen war. Sie lag noch immer auf der Pritsche und wartete. Die lang andauernde Dunkelheit spielte ihren Augen bunte Kreise vor. Sie starrte in die Finsternis, bis ihr Geist ermüdete. Dann wurde es still, in ihrem Kopf und ihrer Seele. So lag sie auf dem Bett, die Lider gesenkt, die Hände auf dem Bauch gefaltet, die Beine ruhig nebeneinander. Sie hatte aufgehört zu zittern.
    Nachdem der Mönch gegangen war, hatte sie auf dem Boden gelegen, bebend und weinend. Aus ihrer Kehle waren kurze, heftige Schreie gekommen und ihr Körper hatte sich ein übers andere Mal gekrümmt. Irgendwann war sie aufgestanden, in der Kammer umhergelaufen, sieben Schritte in diese Richtung, drei in jene. Sie hatte versucht, ihren Gedanken nachzuspüren. Warum sie? Was hatte sie ihnen getan? War sie ein Teufelskind? Warum spürte sie den Dämon nicht, der in ihr war? Die Gedanken drehten Kreise sich ständig wiederholender Worte, die sie nicht selbst erdachte, die sich in ihr formten ohne ihr Dazutun. Während sie sich Fragen stellte, gab sie sich gleichzeitig die Antworten. Es waren viele Antworten, die einander widersprachen. Je tiefer sie in ihre Gedanken horchte, umso mehr Stimmen vernahm sie. Erschöpft und verängstigt wurde sie allmählich ruhiger. Als sich die Tür ein weiteres Mal öffnete, presste Amalia die Augen zu. Nicht sehen, nicht hören.
    Sie wusste nicht, wer zu ihr kam. Sie wollte nicht wissen, wer sie aufsuchte. Eine sanfte Berührung, ein zarter Geruch nach Melisse, den sie kannte. Dann hörte sie

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