Die Graefin der Woelfe
die Perücke sorgfältig auf ihre Halterung. Dabei versuchte sie, beständig die Fassung zu bewahren. Hin und wieder entfuhr ihrer Kehle ein Seufzer, ansonsten gab sie ihrer Erschütterung kaum Ausdruck. Im Augenwinkel beobachtete sie, wie Erasmus es sich mit einem Glas Tokaier auf Amalias Sessel bequem machte. Es machte sie wütend, ihn so zu sehen.
Herablassend freundlich blickte er sie an. »Wenn Sie hier fertig sind, trinken Sie ein Glas Wein mit mir und hören Sie mir zu. Es ist wichtig.«
Marijkes Widerstand wurde stärker, sie empfand große Lust, den Arzt mit Jelkos Hilfe aus dem Schloss zu werfen. Sie griff bereits nach der Klingel, als Amalia laut aufstöhnte. Sie hatte keine Wahl. Solange es der Gräfin so schlecht ginge, würde sie nicht auf den Arzt verzichten können. Resigniert setzte sie sich auf den angewiesenen Platz, nahm das Glas aus seiner Hand und trank.
Der Doktor lehnte sich in Amalias Sessel zurück, streckte die Beine von sich, legte die Fingerspitzen aneinander und begann zu dozieren. »Es handelt sich keineswegs um eine neue Krankheit. Ich habe mir viele Krankheitsakten der vergangenen Jahre und Jahrzehnte angeschaut. Dabei bin ich auf einige prominente Fälle gestoßen, die große Ähnlichkeit mit der Krankheit der Gräfin und des bedauernswerten Jägers aufweisen. So ist der frühe Tod von Isabella, Königin von Dänemark, seit zweihundert Jahren nicht aufgeklärt. Überliefert sind jedoch ihre Blässe, die Schwermut, die ihr Herz erfüllt hat und ihr langes Leiden. Ich gebe zu bedenken, dass es zu dieser Zeit viele Wirrnisse in Dänemark und Norwegen gab. Ein wunderbarer Nährboden für die Krankheit, mit der wir es hier zu tun haben.«
»Doktor von Spießen«, unterbrach Marijke gereizt seine Ausführungen.
Der Doktor ließ sich Zeit, ehe er weitersprach. »Es gibt keinerlei Zweifel an meiner Diagnose. Sie können sich sicher sein, dass ich alles genau überprüft habe.« Er nahm einen Schluck aus seinem Glas und wischte sich in aller Ruhe über die Lippen. Wieder legte er die Fingerspitzen zusammen, beugte sich weit nach vorn und fixierte sie. »Die Gräfin hat die Vampirkrankheit«, intonierte er langsam und deutlich. »Ich kann derzeit noch nicht mit Sicherheit sagen, wie sie die Krankheit erworben hat. Möglicherweise hat der Jäger sie infiziert, oder aber sie haben sich beide durch den intensiven Umgang mit den Wölfen damit befleckt. Wie dem auch sei, es gilt, die Seele der Gräfin zu schützen und uns selbst. Unsere Leiber und unsere Seelen.«
Marijke versuchte, Haltung zu wahren, wollte sie auf keinen Fall in Gegenwart dieses Doktors verlieren. Ihre Hände umklammerten die Armlehne, sodass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. »Sind Sie sicher, gibt es keinen Zweifel?«, fragte sie leise.
»Nicht den geringsten, liebstes Fräulein von Wertheim. Glauben Sie meinen Worten und zwingen Sie mich nicht, deutlicher zu werden.«
Sie zögerte noch immer. Was war das für eine abstruse Vorstellung? Ihr Blick ging nach innen. Was war an Jakobus’ Grab geschehen, warum war sein Leichnam nicht verwest? Was sollte das alles bedeuten? Marijke spürte Tränen aufsteigen. Sie durfte und wollte jetzt nicht weinen. Es ging in erster Linie darum, dass es Amalia wieder besser ging. Dafür brauchte sie den Arzt, nur dafür. Alles Sonstige war eine andere Sache. Beherzt sah sie auf. »Was muss ich tun?«
»Solange die Gräfin noch am Leben ist, scheint keine Gefahr von ihr auszugehen. Dennoch achten Sie darauf, immer ein Kruzifix bei sich zu tragen. Außerdem sollte sich die Gräfin niemals zwischen Ihnen und der Tür befinden, sodass Sie rasch die Flucht ergreifen könnten.«
»Sie meinen …?« Marijke hielt inne. War es wirklich so ernst? Sie stöhnte auf und schlug die Hände vors Gesicht. Nun war es mit ihrer mühsam erkämpften Haltung zu Ende, ihre Schultern bebten.
»Ich denke, wir werden diese Vorsichtsmaßnahme nicht brauchen. Aber wir dürfen auch nicht zu leichtsinnig sein.« Des Doktors Stimme klang geschäftsmäßig, abgeklärt.
Marijkes Hals wurde eng, sie griff nach einem Tuch und wischte sich übers Gesicht. Das Aufstehen fiel ihr schwer. Sie achtete sorgfältig darauf, den Arzt nicht anzuschauen, und trat an Amalias Bett. Geschäftig schüttelte sie Kissen und Decken auf. Nach einer Weile drehte sie sich um, sie war gefasst, ihre Stimme klar. »Wenn die Gräfin tatsächlich an dieser schrecklichen Krankheit leidet, wie können wir dann ihre Seele retten?«
»Das,
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