Die Graefin der Woelfe
allein. Doktor von Spießen wird, nachdem er seine Untersuchungen vollendet hat, meinen Leichnam in einen einfachen Fichtensarg betten.
Erasmus blieb stehen. »Jetzt sollten Sie festlegen, wo Ihre letzte Ruhestätte sein soll.«
Amalia tauchte die Feder erneut ein.
Alsdann führe man ihn , wo auch immer ich verstorben sein mag, nach Zwinzau. Er soll dort von armen Leuten in die St.-Veit-Kirche getragen, und allda ohne Prunk beerdigt werden. Auf den Grabstein schreibe man: Hier liegt die arme Sünderin Amalia. Bittet für sie .
Noch einmal ließ sie ihren Blick schweifen, lächelte Marijke zu und schrieb weiter.
Ferner und letztens vermache ich meiner treuen Zofe Marijke von Wertheim eine jährliche Rente von zweihundert Gulden.
Ein letztes Mal tauchte sie mit ruhiger Hand die Feder in die Tinte. Schwungvoll setzte sie ihren Namen auf das Papier. Der Priester schrieb den seinen dazu. Jelko malte die fünf Buchstaben seines Vornamens, und um ganz sicher zu gehen, unterschrieben auch Erasmus und Marijke.
»Sie wollen, dass Elena selbst über ihr Vermögen verfügen kann?«, raunte Marijke der Gräfin in einem unbeobachteten Augenblick zu.
»Sie hat bald keine Mutter mehr, keinen Vater, niemanden, der gut zu ihr ist. Das ist alles, was ich für sie tun kann. Ich werde gleich morgen einen Brief an den Fürsten aufsetzen.«
2. Kapitel
Frühjahr 1730
W enige Tage später brach Erasmus nach Linz auf. Wie er verlauten ließ, um sich chirurgische Instrumente in der Stadt anfertigen zu lassen. Die Verbliebenen atmeten auf.
Amalia fühlte sich deutlich wohler, seit der finstere Lutheraner nicht mehr in ihrer Nähe war. Wieder einmal überlegte sie, ob sie sich nicht doch nach einem neuen Arzt umschauen sollte. An einem sonnigen Frühlingsmorgen bat sie Marijke, ihren Lieblingssessel ans Fenster zu stellen. Auf die Zofe gestützt setzte sie sich und blickte aus dem Fenster.
»Glaubst du, dass er recht hat?«, fragte sie, ohne den Blick von den dunkelblauen Hortensien vor ihrem Fenster abzuwenden.
Marijke zuckte mit den Schultern, doch nach einiger Überlegung antwortete sie zaghaft. »Wenn er recht hat, ist die Gefahr für die Komtess viel zu groß.«
Amalia nickte. »Ich denke an nichts anderes mehr, seit der Doktor dieses schreckliche Testament von mir verlangt hat. Siehe, Marijke …« Das Sprechen bereitete ihr Mühe und gleichzeitig erleichterte es sie. »Ich habe seit meiner Kindheit Dinge erlebt, die niemand sonst erlebt hat.«
Marijke wollte sie unterbrechen, doch eine Handbewegung brachte sie zum Schweigen. »Bereits in jungen Jahren war ich von Dämonen besessen und später habe ich Unglück über dieses Dorf gebracht, obgleich ich den Menschen zu keinem Zeitpunkt etwas Böses gewünscht habe.«
Wieder versuchte Marijke, zu unterbrechen. Amalia befahl ihr ungehalten, zu schweigen. »Es ist Zeit, dass wir den Tatsachen ins Auge blicken. Was immer mit mir ist, es klebt an mir wie Pech. Es bringt Unglück über die Menschen, die ich liebe und die mich lieben.«
»Aber Prinzessin, mir haben Sie noch nie …«
»Ich weiß, ich weiß. Doch außer dir habe ich bis jetzt noch jedem Unglück gebracht und wie lange wirst du noch verschont bleiben? Wir haben diesem Testament zugestimmt, weil wir beide, du so gut wie ich, glauben, dass der Doktor recht haben könnte. Wie aber kann ich dann mein Kind dieser Gefahr aussetzen? Einer Gefahr, die ich mit diesem Letzten Willen für mich selbst abwenden will?«
»Prinzessin!«, versuchte Marijke zu intervenieren, aber ein Blick brachte sie zum Schweigen.
Gemeinsam sahen sie aus dem Fenster, betrachteten die ersten Blüten des nahenden Sommers. Lucia hatte Hortensien und Dahlien gesetzt und dazwischen blühten einige Heilkräuter. Waren es Grüße der Hebamme? Amalia schüttelte den Gedanken aus ihrem Herzen. Auch sie hatte sie verlassen.
»Es gibt viele Menschen, die Sie lieben, Prinzessin. Menschen, denen kein Leid geschehen ist«, erklärte Marijke mit ruhiger Stimme, als hätte sie ihre tiefen Empfindungen gespürt.
»Menschen, denen kein Leid geschehen darf, Marijke! Mir bleibt nicht mehr viel Zeit. Ich habe gegen die Gebote des Herrn verstoßen. Vielleicht wird er mir verzeihen, denn ich habe es niemals mit Absicht getan, ich hatte stets das Gute im Sinn. Ich will keine Fehler mehr machen und mein Leben in Frieden beenden.«
Marijke zupfte geschäftig an Amalias Perücke herum, dabei weinte sie leise. Tiefes Mitgefühl erfüllte Amalia, sie
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