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Die Graefin der Woelfe

Die Graefin der Woelfe

Titel: Die Graefin der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Falk
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und Marijke stöhnte auf.
    Erasmus’ Blick ging strafend von einer zur anderen. »Das Kind lebt unter den lieben Nonnen, es kennt sonst niemanden. Im Kloster ist es geschützt vor den schrecklichen Ausdünstungen der Krankheit und vor vielem mehr. Sie werden sterben, liebste Gräfin, vielleicht haben Sie noch ein Jahr, vielleicht ein paar mehr. Auf keinen Fall haben Sie Jahre genug, um das Kind aufwachsen zu sehen.«
    Marijke schluchzte auf, doch Amalia blickte den Arzt an und nickte. »Sie haben recht, das muss alles mit berücksichtigt werden. Aber kann ich sie nicht wenigstens einmal sehen? Ich würde sie nicht von den Nonnen wegnehmen, ich würde sie nur besuchen.«
    »Ja, verstehen Sie denn nicht!« Erasmus’ Stimme donnerte. »Sie sind eine Gefahr für uns alle hier!« Mit großer Geste umfasste er das gesamte Schloss. »Wir haben unser Leben gelebt, aber wollen Sie auch Ihr Kind mit sich in die Tiefe ziehen? Wollen Sie das? Dann lassen Sie uns nach Krumau fahren, am besten gleich und herzen Sie das Kind und überbringen Sie ihm den Atem des Todes.«
    Im gleichen Augenblick, in dem Amalia aufschrie, war Marijke – über ihre eigene Reaktion selbst verwundert – von ihrem Stuhl aufgesprungen. »Es reicht, Doktor! Wir haben Sie alle verstanden und wünschen keine weiteren Belehrungen mehr. Sagen Sie nun, was Sie zu sagen haben und eilen Sie sich, die Gräfin ist müde.«
    Erasmus nickte huldvoll. »Frau Gräfin, Sie wissen, mit dem Tod ist nicht alles verloren.« In geschäftig schmeichlerischem Ton fuhr er fort. »Auch wenn ich Ihre Krankheit nicht heilen kann, so gibt es doch Hoffnung.«
    Amalia lehnte bleich und zitternd in ihrem Kissen. Ihre Stimme schien gebrochen, sie schüttelte kaum sichtbar den Kopf. »Nicht für mich«, hauchte sie.
    »Der Herr ist mein Hirte, mir wird es an nichts mangeln. Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich«, psalmodierte Erasmus. »Geben Sie sich in Gottes Hand.«
    »Gott hat seine Hand von mir abgezogen.« Ein Husten unterbrach die Unterredung. Nachdem Amalia sich gefangen hatte, verzog Erasmus das Gesicht zu dem, was er offensichtlich für ein Lächeln hielt.
    »Also wird Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut vor neunundneunzig Gerechten, die der Buße nicht bedürfen. Ich verspreche Ihnen, auch Sie werden die Gnade erlangen, vor Ihren Schöpfer treten zu dürfen«, deklamierte er. Ausführlich begann er zu erklären, wie er Amalias Leib nach dessen Tod den Fängen des Teufels entreißen würde.
    Marijke spürte saure Galle aufsteigen. Ärgerlich unterbrach sie ihn. »Doktor von Spießen, wir alle wissen, dass Sie sich mit der Krankheit außerordentlich gut auskennen. Ersparen Sie uns die Details und kommen Sie endlich zur Sache!«
    Amalia hob zaghaft ihre Hand, beide verstummten. »Ich vertraue Ihnen und besonders meiner Zofe, Doktor. Tun Sie also, was nötig ist, ich werde das Testament aufsetzen.«
    Marijke rief den Priester und Jelko herein und brachte Papier, Feder und Tinte. Mit zitternder Hand tauchte Amalia die Feder ein. Ihr Blick ging in weite Ferne, und noch ehe Erasmus zu diktieren begann, schrieb sie die Eröffnungsformel ihres Testaments.
    Im Namen des Herrn und seiner heiligen Mutter Maria tue ich, Amalia Charlotte von Falkenstein, geborene Torgelow, hiermit vor Gott und aller Welt, freiwillig und in Vollbesitz meiner Zurechnungsfähigkeit, meinen Letzten Willen kund.
    Mein gesamtes Vermögen soll, so es nicht für die Pflege und Ausbildung meiner über alles geliebten Tochter Walpurga Elena Jakobine von Falkenstein verwendet wird, dieser bei Vollendung ihres zwanzigsten Lebensjahres zur freien Verfügung ausgehändigt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt soll mein Neffe, Fürst Eugen von Torgelow, das Vermögen im Sinne meiner Tochter verwalten.
    Amalia streute sorgfältig Sand auf die feuchte Tinte. Dann nahm sie das Federmesser auf und spitzte die Feder erneut. Solcherart vorbereitet richtete sie ihre Augen fragend auf den Doktor.
    Der erhob sich, durchschritt, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Raum und diktierte:
    Zweitens soll mein Leib alsbald nach meinem Ableben von meinem Arzt, Doktor Erasmus Martin von Spießen, in Augenschein genommen werden. Er soll ihn, in der für solche Fälle üblicherweise vorgesehenen Gesellschaft, eröffnen. Nach der ersten Leichenschau lasse man den oben erwähnten Arzt mit meiner sterblichen Hülle

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