Die Graefin der Woelfe
werter Graf.«
Etwas widerwillig legte Amalia das Buch in die fettglänzenden Hände des Hofingenieurs. Ihre Hand zitterte, ob vor Aufregung, unterdrückter Wut oder Angst, dass die kostbaren Zeichnungen beschmutzt werden konnten, konnte sie nicht unterscheiden.
»Sie zittern ja, Gnädigste, ist Ihnen nicht gut?« Die listigen Äuglein des Architekten schienen Amalia auf den Grund ihrer Seele zu blicken.
Sie neigte den Kopf, nur weg von diesem durchdringenden Blick.
»Zarte Schrift«, murmelte von Hildebrandt, dann war er still. Er blätterte, hielt inne und die Seiten etwas weiter von den Augen entfernt, wie es die Art älterer Leute war. Dann blätterte er weiter. Seine Blicke und Finger flogen über die Zeichnungen. Hin und wieder schnalzte er mit der Zunge, es klang anerkennend.
Jetzt wurde der Schweinebraten aufgetragen. Von Hildebrandt klappte das Buch zu und schob es zu Amalia hinüber, ein schlaues Grinsen im Gesicht. »Wir werden später darüber reden, jetzt sollten wir dem Koch die Ehre erweisen, seine Speisen zu schätzen.«
Nach weiteren sieben Gängen war das Mahl endlich beendet. Amalia fühlte sich träge, sie platzte beinahe nicht nur vor Neugierde, doch der Architekt hatte keine Eile. Gemütlich pikste er die letzten Krümel der Nachspeise auf seine Gabel, ehe er endlich seine Serviette zusammenfaltete.
»Lassen Sie uns in ein Kaffeehaus gehen. Die Wiener haben eine ganz wunderbare Art, mit dieser schwarzen Brühe umzugehen. Das sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen.«
Amalia war nervös, sie wollte keinen Kaffee. Sie wollte endlich wissen, was der Fachmann zu ihren Zeichnungen meinte. Der sah allerdings nicht so aus, als würde er ohne seinen Kaffee weitersprechen. Zähneknirschend erhob sie sich, um die Lokalität zu wechseln.
Wenig später saßen sie in der dunkelsten Ecke eines der neuartigen Wiener Kaffeehäuser. Amalia hatte von dem Getränk schon öfter gehört, es aber noch niemals getrunken. Ihr Vater hatte nichts von der Türkenbrühe gehalten. Er war im Gegenteil der Ansicht, dass sein Sohn Wolfhard sein Leben nicht am Kahlenberg geopfert hatte, damit sie sich nun freiwillig den Sitten der Muselmanen unterwarfen. Was würde er sagen, wenn er sehen könnte, wie seine Tochter eine zierliche Porzellantasse in der Hand balancierte, von der ein herber Geruch ausging, der auf der Zunge kribbelte?
Zaghaft nippte sie daran. Ihre Geschmacksnerven warteten, durch die Nase bereits aufmerksam geworden, auf die Bitterkeit und wurden von der nachfolgenden Süße belohnt. Es war überwältigend. Sie trank ihre Tasse mit wenigen Schlucken leer. Lächelnd bestellte der Architekt eine weitere.
Amalia rutschte auf ihrem Stuhl herum. Sie musste etwas sagen, hielt das Schweigen nicht länger aus. »Was halten Sie von den Zeichnungen meines Gatten?«
»Pscht, leise …«, zischte von Hildebrandt und blickte sich um. »Diese Stadt ist voller Neider und die Kellner hier verdienen sich das meiste mit Spionage.«
»Wie bitte?« Aufgeschreckt blickte sie um sich. »Habe ich etwas Falsches gesagt?«
»Ich möchte nicht, dass meine Konkurrenten wissen, dass ich Zeit habe, einen neuen Auftrag anzunehmen. Das würde diesem von Erlach so passen.« Hildebrandt zog eine grimmige Miene.
Die Kellnerin kam und er schwieg. Erst als sie wieder allein waren, kam er auf den Grund ihrer Zusammenkunft zu sprechen. »Nun zu Ihnen, Graf. Sie haben sich da eine ganz schöne Schlossanlage ausgedacht. Hier und da sind ein paar Veränderungen angebracht, aber im Großen und Ganzen kann das so gemacht werden. Eine Frage habe ich jedoch.« Er blätterte in Amalias Notizbuch und zeigte auf die große Freitreppe, die zum festlichen Hintereingang des umgebauten Palas führen sollte. »So wie diese Stelle auf den vorherigen Bildern aussieht, gibt es derzeit einen kleinen, ebenerdigen Eingang, oder?«
Graf Wenzel trat der Schweiß auf die Stirn. Amalia lehnte sich scheinbar unbeteiligt zurück. Sie wusste, auf was der Architekt hinauswollte, nun war sie gespannt, was der große Planer, der ihr Ehemann war, sich einfallen lassen würde.
»Ähm, das kommt daher, dass im unteren Teil des Gebäudes nur noch die Nutzräume sind«, stotterte er. Dabei wählte er einen Begriff, den er von Amalia gehört hatte. Sie musste lächeln. Rasch versteckte sie das Gesicht hinter ihrem Fächer.
Von Hildebrandt hob ungläubig eine Augenbraue. »Ich verstehe«, entgegnete er. Dabei war es offensichtlich, dass er überhaupt nicht
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