Die Graefin der Woelfe
sollten einige Schritte mit mir in der erfrischenden Morgenluft wandeln. Das wird Ihren Lungen guttun. Sie haben zwei schwere Anfälle gehabt, Ihr Körper braucht Luft und Ruhe.«
Ignatius, der blass und eingefallen wirkte, ließ sich widerstandslos zum Kreuzgang dirigieren. Sie gingen einige Schritte schweigend nebeneinander her.
»Sie sollten die Gewohnheit des Tabakrauchens annehmen«, unterbrach Erasmus die Stille. »Es gibt zwar noch keine gesicherten Erkenntnisse, aber wie es scheint, wirkt Tabak sehr gut gegen die Krankheit, die Sie quält.«
Ignatius schwieg, es schien nicht nur die Krankheit zu sein, die ihn quälte. Er sackte auf eine der Bänke nieder, die zwischen den einzelnen Stationen aufgestellt waren.
»Es ist viele Jahre her, ich hatte es beinahe vergessen. Mein Prior ließ mich rufen, weil eine einflussreiche Familie um Hilfe gebeten hatte.«
Erasmus’ Kehle fühlte sich trocken an. So unauffällig wie möglich nahm er neben dem Mönch Platz, bemüht, seinen Redefluss nicht zu unterbrechen.
»Es war das erste Mal, und ich hatte meine wahre Berufung damals noch nicht erkannt. Wohl aber Prior Bernhard, der mir einbläute, e s handele sich um eine einflussreiche, wohlhabende Familie, bei der es von äußerster Wichtigkeit sei, die Dinge unauffällig zu behandeln.« Ignatius zog die Schultern noch weiter ein. Sein Gesicht wirkte wie versteinert. »Mit diesen Worten schickte er mich am nächsten Morgen auf den Weg. Ich war jung …«
Die Unterbrechung zog sich zu einer Ewigkeit.
»… und ich gebe es zu, ich war sehr geschmeichelt.«
Erasmus wünschte sich, der Mönch würde nicht ständig mit den Händen durch sein Gesicht wischen und Pausen einlegen, die seinen Geduldsfaden bis zum Reißen spannten, doch er zwang sich zu eiserner Disziplin und Aufmerksamkeit. Dies war zu wichtig, um auch nur eine Silbe zu verpassen.
»Ich wünsche, dass Sie dem dortigen Priester behilflich sind, der Jungfer den Teufel vom Leib zu halten. Dabei erwarte ich höchste Diskretion.« Ignatius sandte einen undefinierbaren Blick an die Decke des Kreuzganges. »Die Worte des Priors klangen in meinem Ohr, während der ganzen Reise. Doch ich wusste nicht, was sie bedeuteten, bis ich Ihm zum ersten Mal begegnet bin.« Ein Hustenanfall schüttelte die hagere Gestalt.
Erasmus fürchtete, den Monolog schon beendet zu sehen, doch dann setzte Ignatius seine Erzählung schleppend fort.
»Sie war jung und sie war recht schön, doch sie war schamlos. Sie umfasste mich, kaum dass ich in ihre Kammer getreten war, und rieb den Kopf an meinen Schenkeln. Es war widerlich. Die Dämonen in ihr hatten unendliche Angst vor dem Antlitz des Herrn. Der ewige Widersacher ließ den Körper der Jungfrau vor dem Kreuze Christi auf dem Boden kriechen.« Der Mönch sprang auf und seine Hände schnellten an seine Kehle. »Sie zerriss sich ihre Kleider. Ich war jung und unerfahren, ich wusste nicht, wie groß die Tücke des Satans wirklich ist.« Wieder lähmte die Atemnot den Redefluss.
Erasmus hatte sich ebenfalls erhoben und klopfte Ignatius auf den Rücken, versuchte, seine Atmung durch Zählen zu verlangsamen. Auf seinen Arm gestützt ließ sich der Mönch in die Kirche führen. In der Nähe des Altars sank er auf die nächste Bank. Sein Atem ging ruhiger, doch seine Bronchien rasselten.
»Dann nannte sie mir ihren Namen, er war Legion. Einer davon war Lilith, an sie erinnere ich mich …«
Das Husten des Exorzisten schallte überlaut durch die heilige Stätte. Einer der Mönche, der dabei war, die Kirche zu reinigen, blickte erschrocken auf. Erasmus stützte den Kranken und winkte den Mönch herbei. Gemeinsam führten sie Ignatius zurück in seine Kammer.
Nachdem der Mönch versorgt war, zog sich Erasmus zurück. Enttäuschung wühlte in seinem Inneren. Er würde aus dem Exorzisten nicht mehr herausbekommen, doch eines war nun klar. Die Gräfin war als junges Mädchen vom Teufel besessen – zumindest im Glauben der Katholiken. Das konnte vieles bedeuten. Zum Beispiel, dass sie wahnsinnig war oder auch, dass wirklich ein Dämon in ihr hauste. Eines zumindest konnte er mit Sicherheit annehmen. Wenn die Gräfin eine Behandlung durch diesen Exorzisten überlebt hatte – und die Anzeichen sprachen dafür – dann konnte ihr Geist nicht mehr gesund sein. Es gab kaum jemanden, der den Exorzismus durch Ignatius überlebt hatte und wenn, so waren diese Menschen anschließend kaum noch zu den Lebenden zu zählen.
Beinahe erwachte
Weitere Kostenlose Bücher