Die Graefin der Woelfe
ihr Gesicht.
»Nicht nur die alten Römer hielten es mit den Wölfen. Auch die Muselmanen erklären, dass sie von einer Wölfin abstammen.«
»Das sind doch alles Heidenlegenden.«
Amalia schüttelte den Kopf. Sie stand auf, das Buch wie eine Waffe in der Hand. »Die Muselmanen waren schon vor vielen Hundert Jahren bedeutende Ärzte und Wissenschaftler und die Männer der Antike haben unser modernes Denken erst möglich gemacht. In den Sagen der alten Völker stecken tiefe Wahrheiten. Hör doch …« Sie überflog die Zeilen und endlich fand sie den letzten Beweis. »Hier steht: Die Gattin des Marcus Orvinius hatte, nachdem sie bereits seit über zehn Jahren kinderlos geblieben war, die Milch einer Wölfin getrunken und war genau neun Monate später von einem gesunden Jungen entbunden worden. Der Knabe wurde von seinem überglücklichen Vater Lupus genannt.«
»Aber Prinzessin«, Marijke hob in einer verzweifelten Geste die Hände, »wie stellen Sie sich das vor?«
Amalia hörte nicht mehr hin. Alles, was sie wollte, war ein kräftiger, gesunder Sohn, und hier stand es schwarz auf weiß. Die Frauen der Antike schworen auf dieses Mittel, sie waren gebildet; gebildeter als heute.
Plötzlich kam es ihr wie eine Vorsehung vor. Sie hatte immer ein besonderes Verhältnis zu Hunden gehabt. Ihre Familie hatte seit Generationen mit Wölfen zu tun. Sie kraulte einen der Hunde hinter den Ohren. Das war ihre Gabe und das war auch die Lösung, nach der sie so viele Jahre gesucht hatte.
Bereits am nächsten Morgen machte sie sich auf den Weg zu Jakobus. Sie traf ihn an, wie er das Pferd des Grafen aufsattelte. Der Jäger wuchtete den schweren Sattel mit Mühe auf den Rücken des Tieres. Anschließend blieb er einen Moment stehen und verschnaufte, ehe er die Riemen festzog.
Wie oft hatte sie ihm bei dieser Arbeit zugeschaut. Dabei war ihr nie aufgefallen, dass sie ihm so schwerfiel. Sie betrachtete Jakobus genauer und eine leise Angst beschlich sie. Sein Haar und sogar seine dichten Augenbrauen waren grau geworden, doch sein Rücken war noch immer breit und seine Arme sehnig.
Sie schüttelte den Kopf, sie sah Gespenster. Jakobus war kräftig und gesund. Nichts konnte ihn hindern.
*
Jakobus bemerkte Amalia, noch ehe er sie sah. Ihr zartes Rosenparfüm wehte ihm um die Nase. Er wischte die Hände an seiner Hose ab und trat ihr entgegen.
»Prinzessin.« Sein Herz erwärmte sich, als er sie ansah. »Wie schön, dass Sie mich besuchen. Wollen Sie ausreiten?«
»Nein, Jakobus. Ich möchte zu dir, ich muss etwas mit dir besprechen. Sattle nur das Pferd meines Gatten, dann können wir vielleicht ein wenig im Garten wandeln.«
Als sie durch den Küchengarten schritten, hatte sie den Schirm, den sie zum Schutz vor der Sonne über den Kopf gehalten hatte, zusammengefaltet und hielt ihn mit beiden Händen vor dem Rock. Wie immer gab sie eine Augenweide ab, schritt anmutig mit kleinen Schritten in ihrer pfirsichfarbenen Robe neben ihm einher.
»Weißt du noch, wie du den Wolf gefangen hast, Jakobus?« »Sicher weiß ich das noch, Prinzessin. Ich habe es Ihnen, als Sie ein Kind waren, sicherlich hundertmal erzählt. Möchten Sie die Geschichte noch einmal hören?«
»Gern, Jakobus, aber nicht jetzt. Jetzt möchte ich, dass du mir wieder einen Wolf fängst.«
Jakobus blieb stehen. »Was für einen Wolf?«
»Eine Wölfin, um genauer zu sein, eine trächtige vielleicht. Vielleicht auch einen Rüden – ein Elternpaar, das wäre am allerbesten.«
»Aber warum sollte ich das tun? Prinzessin, was wollen Sie denn mit einem Wolf?« Jakobus kratzte sich die Stirn.
»Ich brauche die Milch der Tiere. Mit ihrer Hilfe werde ich endlich einen Sohn bekommen.« Sie lief ein paar Schritte rückwärts und tänzelte im Kreis. »Nun schau nicht so ungläubig! Das haben die alten Römer schon gewusst. Wenn eine Frau die Milch von Wölfen trinkt, wird sie gesunde Söhne zur Welt bringen.«
Jakobus wusste nicht, was er sagen sollte und auch nicht, was zu tun war. Also machte er das, worauf er sich am besten verstand, er dachte praktisch. »Wie stellen Sie sich das vor? Wo sollen die Wölfe hin? Wir müssten einen neuen Zwinger bauen …«
»Am besten am hinteren Ende des Schlosses, dort, wo die alten Stallungen waren. In dem Zwinger brauchen wir Kisten, in denen wir die Wölfinnen in Ruhe melken können. Ich weiß, das wird alles nicht so einfach, aber ich bin sicher, du schaffst das, Jakobus.« Amalias hellblaue Augen strahlten jung
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