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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Euch, Jeddin, jedenfalls ein bißchen.«
    Die ängstlichen Falten in seiner Stirn verschwanden. »Dann besteht Hoffnung. Dann gibt es einen Grund zu leben.«
    »Still! Ihr habt mich nicht bis zu Ende angehört. Ich mag Euch, und in einem anderen Leben könnte vielleicht mehr daraus werden, aber ich möchte nicht sterben, für keinen Mann. Versteht Ihr? Geht weg. Denkt nie wieder an mich.« Sie wollte zurücktreten, aber er fing ihr Handgelenk ein und hielt es jetzt in einem Griff, gegen den sie in tausend Jahren nicht angekommen wäre. »Laßt mich los!« flüsterte sie und guckte panisch zur Tür. »Sie werden sich fragen, wo ich bleibe.«
    »Luian wird sie noch ein Weilchen ablenken.« Er beugte sich zu ihr herab, bis sie fast schon wimmerte, weil er so groß und so nah war. »Du liebst ihn nicht.«
    »Laßt mich los!«
    »Sch-sch. Ich kann mich hier nicht mehr lange halten. Meine Feinde wollen mich stürzen.«
    »Feinde?«
    »Ich bin ein einfacher Bursche, der es zum Hauptmann der Leibgarde des Autarchen gebracht hat. Der Oberste Minister Vash haßt mich. Ich amüsiere den Goldenen — er nennt mich seinen Wachhund und lacht, wenn ich die falschen Wörter benutze —, aber Pinnimon Vash und die anderen wollen meinen Kopf auf einem Pfahl sehen. Ich könnte jeden von ihnen mit bloßen Händen töten, aber in diesem Palast herrschen die Gazellen, nicht die Leoparden.«
    »Aber warum liefert Ihr ihnen dann diese Gelegenheit, Euch zu töten? Das ist doch mehr als töricht — Ihr bringt uns beide um.«
    »Nein. Ich lasse mir etwas einfallen. Wir werden Zusammensein.« Sein Blick ging jetzt in die Ferne, und Qinnitans rasendes Herz stockte, schien einen Schlag auszusetzen. In diesem Moment wirkte er fast so verrückt wie der Autarch. »Wir werden Zusammensein«, sagte er noch einmal.
    Sie nutzte seine Entrücktheit, um ihr Handgelenk loszureißen, und floh dann rasch rückwärts zur Tür. »Geht, Jeddin! Seid kein Narr!«
    Seine Augen glänzten jetzt plötzlich von Tränen. »Halt«, sagte er. »Vergiß das hier nicht.« Er warf ihr den rosa Schal zu. »Eines Nachts werde ich zu dir kommen.«
    Qinnitan blieb fast die Luft weg. »Ihr werdet
nichts dergleichen
tun!« Sie drehte sich um und ging rasch hinaus in die schwere Luft des Duftgartens.
    »Seid Ihr auch verrückt geworden?« flüsterte sie Luian zu, als sie ihr den Schal gab. Ein paar andere Ehefrauen beobachteten sie, aber sie betete, daß es nur das gelangweilte Interesse am Tun und Lassen einer Mitgefangenen war.
    Luian sah sie nicht an, aber ihr Gesicht unter der dicken Schminke war rot marmoriert. »Du verstehst gar nichts.«
    »Verstehen? Was gibt es da zu verstehen? Ihr seid ...«
    »Ich bin eine Begünstigte. Er ist der Hauptmann der Leoparden. Er könnte mich unter jedem beliebigen Vorwand verhaften und töten lassen — wer würde schon einem fetten Kastraten in Frauenkleidern mehr Glauben schenken als dem Herrn über die Musketen des Goldenen?«
    »Jeddin würde so etwas nie tun.«
    »O doch, er würde es tun — er hat es selbst gesagt. Er hat mir erklärt, er würde es tun.«
    Qinnitan war schockiert. »Er glaubt, verliebt zu sein«, sagte sie schließlich. »Leute tun verrückte Dinge, wenn sie so fühlen.«
    »Ja.« Jetzt sah Luian sie an, und in den langbewimperten Augen der Begünstigten standen Tränen. Eine hatte eine Spur durch den Puder auf ihrer Wange gezogen. »Ja, du dummes, kleines Ding, das tun sie.«

25

Spiegel
    Das Wehklagen alter Frauen:
Grau wie die Reiher der Diesseitigen Küste,
Verloren wie ein Wind aus dem alten, dunklen Land,
Furchtsam und dennoch wild.

Das Knochenorakel
    Chert hatte sich bereits auf der Bank niedergelassen, um seine müden Beine auszuruhen, als er bemerkte, daß Opalia ihm nicht nach drinnen gefolgt war, sondern immer noch in der Haustür stand und auf die Keilstraße hinausschaute. »Was ist, mein Schatz?«
    »Flint. Er war nicht bei dir?«
    Er runzelte die Stirn. »Warum sollte er bei mir gewesen sein? Ich habe ihn doch hier bei dir gelassen, weil er da, wo wir jetzt arbeiten, eine ständige Ablenkung ist — will nicht bei mir bleiben, weil es ihm dort unten nicht gefällt, bleibt aber auch über der Erde nicht da, wo ich ihm sage, daß er bleiben soll ...« Plötzlich griff eine kalte Hand nach seinem Herzen. »Du meinst, er ist weg?«
    »Ich weiß nicht! Ja! Er war mit mir in der Unteren Erzstraße, und als ich zurückgekommen bin, hat er draußen an der Straße gespielt, Sachen aus Steinchen gebaut,

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